Pantoufle - Ein Kater zur See - Schacht, A: Pantoufle - Ein Kater zur See
gelegt. Offensichtlich war sie noch immer ungehalten über Adèle. Als sie mich sah, zog sie heftig an ihrem Halsband. Madame blieb stehen und fauchte sie an. Lili fauchte zurück. Jemand lachte.
Ich stand auf und krabbelte unter dem Stuhl hervor. Ich musste mit ihr reden, ihr versichern, dass ich verstand, warum sie nicht kommen konnte.
Kaum wurde Lili meiner ansichtig, schnurrte sie.
Ich wurde von Glück überwältigt.
Trabte auf sie zu.
»Sie hat mich in den blöden Korb gesperrt, weil ich ihr das Kleid zerfetzt habe.«
»Ich habe mir so etwas gedacht. Vielleicht gelingt es dir …«
»Schon wieder dieser verlauste Gossenkater!«, giftete Adèle los und riss an Li lis Halsband, um sie von mir
wegzuzerren. Die Ärmste wurde fast stranguliert, und mit mir ging die Wut durch. Ich schlug zu, und ein Stück Volant riss vom Saum ihres Kleides ab.
»Mistvieh!«, kreischte Adèle, und dann ging alles rasend schnell. Sie hob mich auf, und schon flog ich im hohen Bogen über die Reling.
Natürlich drehte ich mich so, dass die Pfoten zuerst aufkommen würden, aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass es so tief nach unten ging. Endlos schien mir der Fall an der schwarzen Schiffswand entlang. Ich hatte auch nicht damit gerechnet, dass Wasser so hart sein konnte. Ich kam auf, und es verschlug mir den Atem.
Fast gleichzeitig traf neben mir etwas Großes auf die Wellen.
Das verlor ich aber aus den Augen, denn wirbelnd sank ich tie fer und tie fer in die grü nen Abgründe. Bläschen stiegen um mich herum auf, die Luft wurde mir aus den Lungen gedrückt.
Vorbei, alles vorbei …
Nein, nicht.
Plötzlich ging es wieder aufwärts.
Als ich japsend wieder an die Oberfläche kam, tauchte Janeds Gesicht neben mir auf.
»Töffelchen!«, keuchte sie und zog mich an sich, sodass mein Kopf über ihrer Schulter blieb. Alle Krallen raus und festgeklammert. Von weit entfernt hörte ich Rufe: »Mann über Bord!«
Diese riesige schwarze Wand ragte nun vor uns auf, und mir wurde angst und bange. Wie sollten wir nur da wieder hinaufkommen? Langsam zog der Dampfer an uns vorbei.
»Sie werden uns raufholen, Pantoufle. Ganz bestimmt.«
Na, wenn du meinst, Janed. Wen kümmert’s schon, ob ei ner von uns un tergeht. Wo die doch sowieso die blinden Passagiere über Bord werfen.
»Halt dich nur gut fest, mein Töffelchen.«
Brauchst du mir nicht zu sagen, Janed.
Ein rot-weißer Ring klatschte neben uns auf, und Janed griff danach. Er machte es uns leichter, mit dem Kopf über den Wellen zu bleiben. Vielleicht war das alles, was sie für uns tun würden. Aber das half doch nicht gegen die bissigen Fische. Die mit den giftigen Stacheln am Schwanz. Und die Kraken mit ihren langen Armen.
Ich bebte. Ich bibberte. Ich maunzte kläglich.
Janed versuchte mich zu trösten, aber mei ne Ohren waren ihren Worten gegenüber wie verstopft.
Dann aber drehte sie sich so, dass ich wieder das Schiff sehen konnte.
»Schau, sie lassen ein Boot zu Wasser!«
Tatsächlich, ein weißes Boot schwebte an der schwarzen Wand an Seilen nach unten, zwei Mann darin, die sich sogleich in die Ruder legten und auf uns zu hielten.
Sie brauchten nicht zu lange, dann wurden wir ins Boot gehievt und sahen uns einem zornschnaubenden Ron Cado gegenüber.
»Was haben Sie dummes Huhn sich eigentlich dabei gedacht, einfach über Bord zu springen?«, brüllte er Janed an. »Wissen Sie eigentlich, was das bedeutet? Wir mussten die Maschinen stoppen, Mademoiselle. Müssen einen Kreis fah ren, um Sie wieder aufzunehmen.
Das wirft uns um Stun den zurück, Sie dämliches Geschöpf. Und uns sitzt der Termin im Nacken.«
Er machte aus Janed – und aus mir – genau solche grätenlosen Seeschnecken wie aus den Mat rosen neulich, und mei ne arme Janed stam melte und zitterte und verfiel in ihr tiefstes Bretonisch. Das passierte ihr nur, wenn sie ganz fürchterlich durcheinander war.
Aber Ron verstand sie. Und schnauzte sie weiter an. In derselben Sprache.
»Wegen eines verdammten Katers? Wegen dieses Katers sind Sie über Bord gesprungen? Herr im Himmel, gibt es Blöderes?«
»Er gehört zu mir«, schniefte Janed und drückte mich fester an ihre nasse Schulter. Ich maunzte leise, weil sie mir wehtat. Schon lockerte sie den Griff.
»Er gehört zu Ihnen?«
Janed reckte trotzig ihr Kinn und fauchte in bester Katzenmanier: »Er ist seit zwei Jahren bei mir. Und ich lasse ihn nicht alleine. Und schon gar nicht lasse ich ihn ertrinken!«
»Ich habe nur von einer
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