Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Pantoufle - Ein Kater zur See - Schacht, A: Pantoufle - Ein Kater zur See

Titel: Pantoufle - Ein Kater zur See - Schacht, A: Pantoufle - Ein Kater zur See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
nicht
Schiffsoffizier werden. Aber es ist schon seltsam, Janed. Er ist bis her immer auf Schiffen zwischen New York und London gefahren, heißt es. Dies ist das erste Mal, dass er nach Brest gekommen ist. Und angeblich hat er wirklich das Land nicht betreten. Er muss ziemlich schlechte Erinnerungen an die Bretagne haben.«
    »Er versteht unsere Sprache auch recht gut. Ich hab nämlich vor lauter Angst und Erschöpfung mein ganzes Französisch vergessen, da im Boot.«
    Die Suppenschüssel war leer, der Wurstzipfel, den Brieg mir zugesteckt hatte, aufgegessen, und Janed rutschte wieder tiefer in die Kissen. Ihr fielen die Augen zu, und die drei Matelots empfahlen sich.
    Wir sanken in einen erschöpften Schlummer.

Bekanntschaften
    Die haushohe Welle wirbelte mich herum, verschlang mich, erstickte mich. Dann wieder flog ich dem schwarzen, schäumenden Abgrund entgegen, tauchte ein, versank, schluckte salziges Wasser, kam an die Oberfläche und jaulte vor Entsetzen.
    Eine liebevolle Hand kraulte mich.
    »Ist ja gut, mein Pantöffelchen. Du bist in Sicherheit, mein Kleiner. Du bist bei mir, Katerchen. Immer noch. Obwohl das Schicksal sich weidlich bemüht, uns auseinanderzubringen, was?«

    Das konnte man mit Fug und Recht behaupten.
    Ich krabbelte etwas höher und legte mich zu Janed auf das Kopfkissen. Ihre Haare waren nun trocken und dufteten ein wenig nach Minze. Um uns herum hörte man nur Schlafgeräusche – Schnarchen, Schnaufen, manchmal ein leises Stöhnen oder unverständliches Gebrabbel. Es musste tief in der Nacht sein. Zeit der Hundswache. Die Zeit, die für Mensch und Tier die gefährlichste ist, denn in der Dunkelheit lauern die Ängste und Sorgen.
    »Ronronronron«, sagte ich deshalb.
    Janed seufzte dazu. Und dann fragte sie mich leise: »Ob es falsch war, unsere Heimat zu verlassen, Pantoufle? Ich überlege das andauernd. Mag ja sein, dass Amerika ein wunderbares Land ist und man dort unbegrenzte Möglichkeiten hat. Aber ich werde die kleinen Fischerhäuschen vermissen und die bunten Boote mit ihren Netzen. Ich werde unser graues Steinkirchlein vermissen mit all seinen Hortensien und Stockrosen und der Statue der heiligen Mutter Anne. Ich werde den Wald vermissen, in dem sich die alten, geheimnisvollen Steine verbergen. Wie oft habe ich sie aufgesucht, die verfallenen Dolmen unter Farn und Heidekraut, die Reihen um Reihen von Menhiren. Keiner weiß, wer sie aufgerichtet hat, keiner weiß, was sie bedeuten, doch wann immer ich zu ihnen kam, Pantoufle, haben sie mich getröstet, diese stillen, aufrechten Steine. Manchmal war mir, als ob sie leise summten, ein Lied der Erde, des uralten Wissens. So etwas wird es in Amerika nicht geben. Diese Steine sind das Erbe eines früheren Volkes.«
    Das waren sie wohl, die alten Steine. Ich kannte auch ein paar, und sie hatte völlig recht. In ihrer Nähe
herrschte ein heimlicher Zauber, eine stille Verbindung mit größeren, älteren Mächten.
    »Viel leicht war es falsch, Pantoufle, so überstürzt aufzubrechen. Ich habe gar nicht ge nug darüber nachgedacht. Es ging alles so schnell. Das Unwetter, das Haus, die Fabrik. Ich sah nur noch Trümmer. Vielleicht hätte ich den Stei nen vertrauen sollen. Sie hat der Sturm nicht umgeworfen. In den Tausenden von Jahren nicht. Ich hätte mein Haus wieder aufbauen sollen, etwas weiter von der Klippe entfernt, aus starkem, hartem Granit. Meinen Garten wieder bepflanzen und eine neue Arbeit suchen. Andere haben das auch getan.«
    Ich rieb meinen Kopf an ihrer Wange. Ja, wir hätten bleiben können. Ich wäre lieber geblieben. Obwohl … ob sie mich dann wohl unten am Felstor gefunden hätte?
    »Und ihre Gräber habe ich auch verlassen, Pantoufle. Mamans und Vaters und das von Lukian.«
    Jetzt weinte sie leise und so untröstlich. Ich wusste ja, dass sich unter ihrer Heiterkeit so viel Trauer verbarg. Und nun kam auch noch das Heimweh dazu. Mir wollte es fast das Herz aus dem Pelz sprengen.
    Was sollte ich nur tun?
    Ich leckte ihr die Tränen ab, so gut es ging, und sie vergrub ihre Hände in meinem Fell.
    »Du bist der Einzige, den ich noch habe, Pantoufle. Mein einziges Stückchen Heimat«, flüsterte sie.
    Schnurren, Schnurren half immer. Also schnurrte ich, was die Kehle hergab. Schnurrte und schnurrte, bis sie wieder einschlief.
    Ich nickte ebenfalls ein.

    Am Morgen zeigte Janed der Welt wieder ihr gelassenes Gesicht, lächelte den Frauen zu, die sich nach ihrem Befinden erkundigten, zog ih ren zweitbesten Rock an, weil

Weitere Kostenlose Bücher