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Pantoufle - Ein Kater zur See - Schacht, A: Pantoufle - Ein Kater zur See

Titel: Pantoufle - Ein Kater zur See - Schacht, A: Pantoufle - Ein Kater zur See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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uns um, sondern nahm Kurs auf sei ne Räume. Kurz vor der Tür blieb Lili plötzlich stehen, völlig ernüchtert.
    »Adèle war hier!«, sagte sie und sog die Luft ein.
    Ich tat es ihr gleich.
    »Adèle ist hier.«
    »Das wird Ärger geben!«
    »Wie mag sie in sein Zimmer gekommen sein?«
    »Genau wie wir, mit dem Kammermädchen oder dem Pagen reingeschlüpft.«
    Enrico schloss die Tür auf, und ich wollte hinterher. Aber Lili patschte mich auf mein Derrière.
    »Nicht.«
    Und das war auch gut so, denn drinnen entwickelte
sich eine laut starke Szene, erst mit Geheul, dann mit Kreischen, dann mit Enricos Gebrüll. Die Tür flog auf, und Adèle, nur in einem hauchdünnen, durchsichtigen Gewand, das hier und da mit ein paar rosa Federn besetzt war, stolperte aus der Tür.
    Die fiel mit ei nem lauten Knall zu und Madame davor auf die Knie.
    »Enrico, Geliebter. Öffne mir, öffne mir!«
    Ihre Fingernägel kratzen über das Holz. Widerlich, das Geräusch.
    »Enrico, sei nicht so hart. Du hast mir Treue geschworen, Enrico!«
    Einige flaumige Federchen umwirbelten sie.
    »Das liegt doch nicht nur am Baldrian, oder?«, fragte ich Lili.
    »Nein, ich glaube, die hat zu viel von dem Sprudelwasser getrunken. Das Zeug macht die Menschen manchmal wirr im Kopf.«
    Wirr im Kopf war sie wirklich, die Adèle. Jetzt jammerte sie nicht mehr, jetzt fing sie an zu keifen. Alle möglichen Anschuldigungen spuckte sie gegen die geschlossene Tür. Und schließlich drohte sie dem armen Enrico auch noch, sie wolle ihm derartig an die Kehle gehen, dass er nie wieder einen geraden Ton würde singen können.
    Damit erhob sie sich schwan kend, mit zerzausten Haaren und ge rötetem Gesicht, und wankte den Gang entlang zur Treppe. Einige zarte, rosa Federchen folgten ihr.
    »Nein, dies mal gehe ich nicht hinter ihr her. Nein, diesmal nicht.«

    »Brauchst du auch nicht, Lili«, tröstete ich sie. »Wenn du Hunger hast, können wir zu den Matelots gehen, die haben immer ein Stück Wurst für mich übrig.«
    »Hab keinen Hunger. Ich bin unglücklich.«
    Das konnte ich verstehen. Ihre Men schenfrau war so sehr in ihrem Wirrkopf befangen, dass sie ihrer Katze überhaupt keine Aufmerksamkeit mehr schenkte. Ich überlegte, ob wir Pippin besuchen sollten. Der schien in schlimmen Situationen Rat zu wissen. Aber dann machten sich plötzlich meine Schnurrhaare bemerkbar.
    Sehr bemerkbar.
    Sie kündeten von einer gewaltigen Erschütterung.
    Kein Eisberg, nein.
    Etwas ganz anderes.
    Lili strich sich ebenfalls über die Schnurrhaare.
    Wir sahen einander an.
    »Komm!«, sagte ich und lief voraus.

Löwentod
    Maha Rishmi ruhte leise keuchend auf ihrem Lager. Sie öffnete die Augen nicht, als wir zu ihr schlüpften, drehte sich aber ein klein wenig zur Seite.
    »Bauch«, murmelte sie.
    Wir erfüllten ihr diese Bitte um ge hend und rollten uns an ihrem weichen, mageren Bauch zusammen wie zwei Jungkatzen. Das war es wohl, was sie sich wünschte,
denn das Keuchen wurde von einem ganz leichten Grummeln ersetzt.
    So lagen wir eine lange Zeit, in der ich be merkte, dass der Atem der Löwin immer flacher wurde. Die große alte Dame lag im Sterben. Still und würdevoll.
    Doch mochte sie auch unsere Gegenwart wünschen, ich ahnte, dass sie sich von ihrem Menschen verabschieden wollte.
    »Lili, ich hole Pip pin!«, flüsterte ich ganz lei se und stand vorsichtig auf.
    »Bleib!«, grummelte es.
    »Ja, Majestät.«
    Ich schmiegte mich wieder an ihren Bauch und zwinkerte Lili zu. Sie erhob sich, und diesmal protestierte Maha Rishmi nicht.
    Als ich aber so alleine bei ihr lag, wurde mir ganz seltsam zumute. Es war mir, als ob die Löwin mich mit ihren Gedanken und Träumen umspann. Ich sah die Zirkusarena aus ihren Augen, die farbenfrohen Podeste, die Bäl le, die Gesichter im Pub likum, den Dompteur, der seine Peitsche knallen ließ, die Reifen, durch die es zu springen galt, erst durch einen, dann durch mehrere, schließlich durch die brennenden Reifen. Ja, ich spürte beinahe die Hitze des Feu ers auf mei nem Fell. Der Tusch, dann der tosende Applaus, das fri sche Fleisch zur Belohnung.
    Ich sah durch Gitterstäbe die Landschaft an mir vorbeirollen, sah die bunten Wagen ein Karree bilden, sah das gelbe Zelt an seinen Masten aufsteigen. Akrobaten in Flitterkostümen, weiße Pferde mit Federschmuck auf dem Kopf, ein Affe im Frack, Pudel mit roten und grünen
Schleifen und der dumme August mit seinen zu großen Schuhen und der roten Knollennase in seinem traurig lachenden Gesicht

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