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Papa ante Palma

Papa ante Palma

Titel: Papa ante Palma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Keller
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Kindern.
    »Ja, aber vergiss nicht: Die Spanier bescheren erst an Heilige Drei Könige. Weihnachten ist hier eher klein gehalten.«
    Das war ein Schlag in die Magengegend. »Heilige Drei Könige?«, fragte ich spöttisch. »Da laufen doch in Deutschland nur ein paar angemalte Kinder durch die Gegend, sagen brav ihren Spruch auf und werden mit Naschkram überschüttet. Ich war selbst mal einer von denen, aber nur, weil ich in Melchior alias Sybille Fuchs verknallt war. Die Tüten hat uns die dorfbekannte Mofagang hinterher erwartungsgemäß abgeluchst.«
    »Wenn ich richtig informiert bin, muss man die Geschenke sogar im Rathaus abgeben. Die Könige holen sie dann ab und bringen sie den Leuten zu Hause vorbei«, sagte Lucia.
    Die seltsamen spanischen Gepflogenheiten waren für mich Grund genug, das deutsche Vätertribunal des Kindergartens einzuberufen. Wir beschlossen, Weihnachten noch mal auf die deutsche Art zu feiern, solange die Kinder klein waren. Also organisierten wir einen Weihnachtsmann-Staffellauf und timten die Bescherungszeiten auf die Minute genau. Ingo fuhr als Weihnachtsmann verkleidet zu Matthias und zog die Show durch. Kurz darauf stand Matthias zwischen den Geschenkpaketen in unserem Wohnzimmer. Nach getaner Arbeit geleitete ich ihn ins Gästezimmer, wo er sich schnell umzog und verabschiedete. Ich stopfte mir ein Kissen unter den Pulli, zog mir das Kostüm über und radelte als übergewichtiger Weihnachtsmann mit wehendem Bart durch die dunklen Gassen von Alaró zu Ingos Haus. Ein paar Mallorquiner, die gerade aus einem Restaurant kamen, sprangen lachend zur Seite, als ich angeflitzt kam, konnten sich aber keinen Reim drauf machen.
    Bei Ingo hatten natürlich alle mit der Bescherung auf mich gewartet. Seine Frau Maria hatte sogar schon die Videokamera zur Hand. Ich sang »Hohoho« und versuchte dabei so tief zu klingen und so wenig zu schnaufen wie nur möglich. Danach verteilte ich die Geschenke an Ingos Söhne, wobei ich den kleineren von beiden Tom nannte, obwohl er Tim heißt. Der achtjährige Karl sah mich lange kritisch an und fragte mit der Stimme eines Klugscheißers, warum ich a) so dick, b) so erschöpft und ob c) nicht korrekterweise das Christkind kommen müsse statt dem Nikolaus aus der Cola-Werbung.
    Da ich als Weihnachtsmann schnell reagieren musste, behauptete ich einfach, dass a) ich mich hauptsächlich von Plätzchen ernährte, b) meine Rentiere gestreikt hätten, und c) das Christkind noch ein Kind und Kinderarbeit sittenwidrig sei. Außerdem warte das Christkind ebenfalls auf mich und die entsprechenden Geschenke.
    Karl schluckte und packte nachdenklich sein erstes Geschenk aus, während Maria die Kamera wegpackte und Ingo mich zur Tür brachte.
    Silvester gingen wir auf den knallvollen Dorfplatz und stopften uns vor dem Jahreswechsel traditionsgemäß zwölf Weintrauben in sechsunddreißig Sekunden in den Mund. Stress pur, da man ein Seuchenjahr riskierte, sollte man die letzte Traube auch nur eine Millisekunde nach Mitternacht herunterschlucken.
    Am Dreikönigstag fuhren dann tatsächlich drei Männer in schrillen, bunten Gewändern und mit schlechtsitzenden Perücken auf einem Traktor vor und brachten den Kindern die beiden Mini-Geschenke, die wir zuvor im Rathaus abgegeben hatten, damit sie nicht leer ausgingen.
    Als ich, in Gedanken noch bei den Kindern und ihren Geschenken, die Teetasse an den Mund setze, spüre ich, wie der Wasserdampf auf meiner Haut kondensiert, so kalt ist sie. Absurd.
    Positiv denken, ermahne ich mich wieder. Ich überlege kurz, wofür ein so kaltes Gesicht gut sein könnte. Man könnte darauf Gemüse konservieren oder Fußballerwaden damit kühlen. Ich könnte auch den Kopf in die Alster stecken, damit sie zufriert. Das wünschen sich die Hamburger doch immer.
    Erheitert von dieser Vorstellung, wische ich mir die Tropfen vom Gesicht und beschließe, mich am nächsten Tag bei unseren Vermieterinnen zu beschweren. Wir brauchen eine Heizung.
    Gleich am nächsten Tag rufe ich Marta an, um ein ernstes Gespräch mit ihr zu führen.
    »Glaub mir, wir können nicht mehr«, sage ich.
    »Was ist los, Steve?«, fragt die Mallorquinerin besorgt.
    »Es ist eiskalt hier im Haus. Wir müssen was unternehmen.«
    »Aber ihr habt doch die beiden beweglichen Gasöfen.«
    »Ja, das stimmt, aber entgegen meiner Vorstellung heizen die nur, was unmittelbar davor steht. Außerdem sorgen sie für Sauerstoffarmut im Raum und erzeugen bei allen Anwesenden leichte Übelkeit,

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