Papa ante Palma
zwei Penner sitzen, die ihre Tageseinkünfte beäugen und Tütenrotwein trinken. Sie bieten den Kunden an, die Einkaufswagen zurückzubringen und wollen dafür die Pfandmünze behalten. Als sie mich bemerken, winkt mir einer solidarisch zu. Vermutlich, weil ich so unrund laufe. Ich grüße zurück. Man weiß ja nie.
Lichtschranke. Die Tür gleitet auf. Geschafft. Ich bin drin.
Windeln, Fencheltee, Feuchttücher und natürlich die Batterien. An der Kasse bezahle ich mit einem Zehn-Euro-Schein. Die Kassiererin sieht mich erst länger an und hält dann den Schein unter eine Ultraviolettlampe. Danach zieht sie die Artikel so langsam über den Scanner, als hätte sie Arthrose im Endstadium.
Schwitzend humpele ich wieder hinaus, wobei die beiden Tüten meine Statik durcheinanderbringen. Für eine Sekunde passe ich nicht auf, und mir ist, als würde mir jemand ein heißes Blech ins Rückenmark schieben. Der Impuls ist so stark, dass ich die Tüten loslasse, den Kopf in den Nacken lege und losschreie.
Kurz darauf lehne ich mich erschöpft gegen das Schaufenster des Fußpflegegeschäfts unten in unserem Haus. Die Batterien sind derweil aus der Tüte auf den Gehweg gepurzelt. Eine Mallorquinerin bleibt stehen und mustert mich mitleidig. Dann bückt sie sich, packt alles behände in die Tüten und sieht zu, dass sie weiterkommt.
»Gracias« und »mein Rücken« rufe ich ihr hinterher.
Eine geschlagene Viertelstunde stehe ich ans Schaufenster gelehnt da, ohne mich zu bewegen. Noch so ein Schmerz und ich krieche auf allen vieren nach Hause. Die Angst vor dem ersten Schritt ist groß. Wofür? Du kannst das!, sagt der Teil in mir, der vor siebzehn Jahren Dritter bei den Bonner Hochsprungmeisterschaften der Schüler geworden ist. Hör auf zu maulen!, sagt der Teil in mir, der Lucia zum Verwechseln ähnlich ist. In Gedanken klemme ich mir eine Gitarre unter den Arm und heuere auf einem Kartoffeldampfer nach Weißrussland an. Nur weg von hier!, sagt der Teil von mir, der wirklich ich ist.
Ich wage den ersten Schritt. Es geht. Irgendwie schaffe ich die letzten Meter bis zur Haustür.
»Wie siehst du denn aus?«, begrüßt mich Lucia, als ich völlig abgekämpft die Wohnung betrete.
»Frag mich lieber, wie ich mich anhöre.«
»Du musst zum Arzt.«
»Gerne, aber erst will ich den verdammten Bär aktivieren.«
Ich platziere die Frischzellen im Rücken des Bären und laufe zu Sophie hinüber, die, wie es der Zufall will, gerade mal wieder schreit. Generalprobe. Als sie ihren neuen Kollegen sieht, verstummt sie und tastet verwundert das Fell ab.
»Huch, der funktioniert«, sage ich. »Sophie ist leise.«
»Ja, aber er hat doch noch gar nicht gebrummt«, bemerkt Lucia.
»Stimmt. Okay, dann soll er mal brummen, der Bär.« Ich schalte das Tier ein, und gespannt harren wir der Dinge. »Kinder, ihr dürft schreien«, befehle ich irgendwann.
Nichts.
»Hm, Lucia, du musst schreien.«
»Ich? Wieso ich?«
»Sonst springt der Scheißbär nicht an!«
»Schrei doch selbst.«
»Na gut, oh Mann. Dann schrei ich halt.« Ich hole tief Luft. » BÄHÄÄÄÄÄÄÄHHHHH! «
Das genügt, Sophie steigt sofort ein.
»Was macht der Bär?«, frage ich. »Irgendetwas ist da, aber man kann es nicht richtig hören bei dem Geplärre«, sage ich zu Lucia. »Der Bär kommt nicht dagegen an. Ich gehe mal kurz mit ihm raus.«
Ich nehme den Stoffbären und gehe aus dem Zimmer, um zu hören, was da für Töne aus dem Plüschfell kommen. Aber kaum verlasse ich den Raum, da hört der Bär auch schon wieder auf, weil er keine Signale mehr wahrnimmt. Das Ding nervt.
Ich gehe in mein Arbeitszimmer, wo ich ihn auf den Schreibtisch lege und ihn noch einmal anschreie.
Da! Er springt an, ein eigenartiges Rauschen kommt aus seinem Innern, etwas zwischen kaputtem Fernseher und einem dicken, gurgelnden Mann. Das ist also der ominöse Bär für satte fünfunddreißig Euro, der die original beruhigende Uterus-Geräusch-Kulisse abspielt, sobald das Baby schreit. Während ich mir hier größte Mühe gebe, nicht wahnsinnig zu werden und die Kinder im Biosack vor die Tür zu stellen, dreht der Erfinder des Bären vermutlich gerade auf seiner vierzig Meter langen Yacht in Gesellschaft einiger Ex-Playmates eine Runde um Mallorca. Menschen, die mit dem Elend anderer Geld verdienen …
Natürlich legen wir den Bären dennoch nachts ins Kinderbett. Luna scheint sich nicht weiter an ihm zu stören. Sophies Geschrei dagegen verstärkt sich, sobald der Bär anfängt zu
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