Papa ante Palma
Köln.«
»Ein Mann?«, fragt Luna neugierig.
»Nein, mein Hase, im Stadtführer steht, dass eine Strandbar so heißt. Es gibt fünfzehn sogenannte Balnearios am Strand von Palma, wobei einer davon, der mit der Nummer sechs, ganz besonders bekannt ist. Wir wollen uns heute mal anschauen, was da so alles los ist.«
An der Plaça d’España steigen wir in die Buslinie fünfzehn, mit der wir durch die Siedlungen Ciudad Jardín und Can Pastilla bis zum neuen Aquarium fahren. Von dort sind es nur noch ein paar Meter bis zur Platja de Palma und zu den Balnearios , den Standbars. Die Promenade ist breit, palmengesäumt und angenehm leer, der Strand planiert und sauber. Es ist elf Uhr vormittags. Zur Linken liegen die berüchtigten Hotels, unter denen ich wider Erwarten kein außergewöhnlich hässliches entdecken kann. Jedenfalls wirken sie nicht schlimmer auf mich als Benidorm, Bibione, Hurghada, Ayia Napa oder wo sonst noch Touristen in Betonbunkern gestapelt werden. Nach ein paar Metern haben wir den ersten Balneario erreicht, ein futuristisch anmutendes Aluminiumgebilde, auf dem in blauen Lettern eine Zwölf steht. Ein paar Stühle sind davor aufgestellt, die fast alle noch unbesetzt sind. Nur ein spanisches Paar hockt einsam an einem Tisch und diskutiert heftig, während es von pathetischer, spanischer Popmusik beschallt wird.
»Una caña, por favor« , bestelle ich an der Bar ein Bier.
Der Spanier hinterm Tresen stellt ein Glas auf die Theke und sagt in fast akzentfreiem Deutsch: »Bitte sehr.«
»Nett hier«, meint Lucia, die mit einem Ellenbogen lässig an der Bar lehnt und auf die glitzernden Wellenkämme schaut. »Ich hab’s mir irgendwie anders vorgestellt.«
»Wart’s ab, wir sind noch nicht da. Immerhin fehlen uns noch fünf Balnearios bis zum sechser«, unke ich, trinke aus und lege ein paar Münzen auf den blechernen Tresen.
Die Kinder springen vergnügt über die Promenade. Endlich mal keine Autos, auf die sie achtgeben müssen. Ich nehme Lucias Hand.
»Bereust du, dass wir nach Mallorca gegangen sind?«, fragt sie mich plötzlich.
»Was? Nein. Wie kommst du denn darauf?«
»Na ja, das Studio, unsere Freunde …«
»Klar fehlt mir das alles. Aber ich frage mich immer, was schlimmer wäre: die einmalige Chance nicht genutzt zu haben und ein Leben lang jammern, wie es hätte sein können, oder hierherzukommen, es zu versuchen, vielleicht zu scheitern und einfach wieder nach Deutschland zurückzukehren. Ich bin ohne Zweifel für Ersteres. Außerdem hättest du mal deine Augen sehen sollen, als du das Jobangebot im Netz entdeckt hast. Deine Entschlossenheit hat mir die Entscheidung leicht gemacht. Ich habe dir doch schon vor Jahren versprochen, dich eines Tages nach Hause zu bringen, nach Spanien.«
Noch während ich rede, passieren wir einen Imbiss, davor eine Tafel, auf der mit Kreide auf Deutsch geschrieben steht: »Heute Strammer Max und Geschnetzeltes, hausgemacht.«
»Okay, also ich meine, fast bis nach Spanien.«
Wir lachen.
Die Kinder veranstalten unterdessen ein ausgelassenes Bockspringen auf der Promenadenmauer. Zur Linken mehren sich nun langsam auch die Fahrradverleihe und Eisdielen. Wir sind inzwischen bei Balneario Nummer elf angekommen.
Die Dinger scheinen alle identisch zu sein, denn dieser hier sieht genauso aus wie der Zwölfer – weit entfernt von den charmanten, teils aus Strandgut zusammengezimmerten chiringuitos , den Strandbuden an den anderen Küstenabschnitten von Spanien und Mallorca. Die Balnearios ähneln eher einheitlichen Kästen und versprühen den Charme eines Kassenhäuschens vor einem deutschen Spaßbad.
»Ich glaube, ich brauche dringend einen café con hielo «, sagt Lucia.
»Gut, bestell du deinen Kaffee mit Eiswürfeln, ich nehme noch ein Bier.«
»Vermisst du denn das Studio nicht?«, bohrt Lucia weiter.
»Doch, natürlich, besonders die Zusammenarbeit mit Thomas und den Kundenkontakt. Aber das kann ja auch hier noch werden. Ich finde, für eine Familie ist der Ort, an dem man lebt, nicht mehr so wichtig. Eine Familie ist wie eine Kugel, die sich überall hinrollen lässt, die sich nach innen richtet und von ihrem Schwerpunkt zusammengehalten wird. Dadurch wird sie automatisch selbst zum Ort. Wenn wir ehrlich sind, waren wir vorher ein elastisches Seil mit zwei losen Enden, die sich ständig nach außen gereckt haben.«
»Das gefällt mir, das mit der Kugel«, sagt Lucia und schmiegt sich an mich.
»Ja«, sage ich und komme langsam in Fahrt,
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