Papa ante Palma
Liebe. Von dort ist es
dann auch nicht mehr weit bis zum Flugzeugträger.
»Kommt, Kinder«, sage ich unvermittelt, »ich
spendiere uns allen von Mamas Geld ein dickes Eis.«
»Witzbold.«
Acht
Der erste Sommer in Palma neigt sich langsam dem Ende zu.
Lucia fühlt sich in ihrem Job sichtlich wohl, denn ihr Chef hat ihr poco a poco , Schritt für Schritt, mehr Verantwortung übertragen und schickt sie immer öfter auf Dienstreise. Paradoxerweise nach Deutschland, weil dort die meisten Kunden sitzen. Zurzeit plant sie die Kampagne für irgendeinen Smoothie, der auf dem deutschen Markt platziert werden soll. Seitdem ist unser Kühlschrank voll mit Ampullen dieser Ganzfruchtgetränke.
Neulich hat uns Lucias Assistentin auf eine Grillparty eingeladen, und auch dort waren die Smoothies überall präsent. Maike ist vor sieben Jahren aus Düsseldorf nach Palma gezogen. Der Liebe wegen: David, seines Zeichens Surflehrer. Heute ist sie alleinerziehende Mutter.
»Was ist das noch mal genau?«, ließ ich mir von ihr das Konzept dieser neuartigen Getränke erläutern, während ich mir noch einen Löffel von dem rheinischen Wurstsalat auf den Teller schaufelte. »Ein flüssiger Apfel oder eine zermatschte Banane in einer Plastikflasche?
»So ungefähr«, sagte Maike.
»Warum in Herrgottsnamen soll ich das Zeug kaufen, wenn ich auch eine Banane in fester Form kriegen kann?«
»Weil die Leute bequem sind und ihren täglichen Bedarf an Obst lieber mit einem Schluck hinunterspülen.«
»Das läuft in Deutschland?«
»Und wie!«
Ich gebe zu, ich bekomme zuweilen ein wenig Heimweh nach den cuadriculados . Natürlich treffe ich in Palma unzählige Deutsche auf meinem Weg zu El monito . Und zwar nicht nur die in der Bar Cristal. Andauernd sprechen mich wildfremde Menschen an, denn offenbar steht mir folgende Botschaft auf die Stirn geschrieben:
» BITTE halten sie mich ja nicht für einen, wenn vielleicht auch großgewachsenen Spanier. kommen sie auch nicht auf die Idee, ich könnte Däne, Holländer, Pole oder Lette sein. nein, halten sie mich gleich für einen Deutschen. fragen sie mich daher direkt auf deutsch – ja, sie haben richtig gelesen, nicht etwa auf Spanisch, obwohl wir uns hier in Spanien befinden, oder gar Englisch, just in case , Man weiss ja nie – nein, direkt auf deutsch. und fragen sie mich bitte nicht nach irgendwas, nein, fragen sie mich immer nach dem Weg.«
Ehrlich gesagt könnte dieser extrem lange Satz bald wirklich auf meine Stirn passen, denn meine Geheimratsecken sind seit der Geburt der Zwillinge deutlich größer geworden.
»Wo geht’s zur Kathedrale?« – »Wo ist das Aquarium?« – »Wo kann man lecker Tapas essen?« – »Wo war noch gleich das Meer?«
Vornehmlich sind es drei verschiedene Gruppen, die mich nach dem Weg fragen. Einsamer Spitzenreiter ist die mit Schweißbändern ausgestattete Familie aus dem Raum Pforzheim. Hinter den hilflosen Eltern stehen zwei Kinder in der hormonellen Blüte ihrer Pubertät. Der rechte Arm baumelt leblos neben dem Körper, während sie sich mit dem linken daran festkrallen und auf den Boden glotzen. Offenbar schämen sie sich dafür, dass ihre Eltern den einfachsten Weg trotz Plan nicht finden. Vielleicht denken sie auch: Man muss mich nach der Geburt in einem Korb vor der Tür dieser Menschen abgelegt haben, anders ist das hier nicht zu erklären.
Vielleicht wird es Sophie und Luna irgendwann auch so ergehen. Ein grauenhafter Gedanke.
Hin und wieder sprechen mich auch gutsituierte, sehr entspannte ältere Ehepaare an, die bereits braungebrannt auf die Insel kommen und sich beide einen Pullover um die Schultern geschlungen haben. Während der Mann meist im Hintergrund bleibt, kommt die leicht verwelkte Schönheit mit den sanften Augen auf mich zu und fragt vorsichtig nach dem Weg, wobei sie mich behutsam am Ellenbogen berührt. Ich gebe dann stets sehr geduldig und gütig Auskunft. Sofort spüre ich die große Erleichterung meines Gegenübers, und auch, dass sie mir jetzt gerne etwas Gutes tun würde. Vielleicht eine große Kugel Eis spendieren oder einen Krapfen. Stattdessen belohnt sie mich mit einem längeren Augenaufschlag, während der Mann hinter ihr kurz die Hacken zusammenschlägt, mir zunickt und sagt: »Komm, Schatz.«
Die dritte Gruppe sind Vereinsmitglieder auf Reisen, meist fünf bis acht Männer Mitte vierzig. Dass sie aus Deutschland kommen, erkenne ich sofort, weil sie fast immer im Kreis stehen und außerdem Adressschilder
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