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Papa ante Palma

Papa ante Palma

Titel: Papa ante Palma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Keller
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von ihren Rucksäcken herunterhängen, die ihre Frauen in Sonntagsschrift ausgefüllt haben. Einige tragen Rotzbremsen, Jeansjacken und stachelartige Igelfrisuren, andere sind blass, bebrillt und haben T-Shirts an, auf denen steht: »Ich bin über dreißig, bitte helfen Sie mir über die Straße«, oder schlicht: »Fotzenpräsident«. Diese Männer wohnen in der Nähe des Ballermanns und haben sich bewusst entschieden, auch mal einen Tag woanders zu verbringen und einen Ausflug nach Palma zu unternehmen.
    Wer kann schon jeden Tag im Dinopark Minigolf spielen, im Tropic Rubi die sechzig Meter lange Tunnelrutsche, auch »Black Hole« genannt, hinuntersausen, Jägerschnitzel essen, bis der Arzt kommt, und abends nach achtzehn Weizen auf einer vollgekotzten Bierbank im Oberbayern blankziehen? Klar: Die brauchen Hilfe, die fragen nach dem Weg – aus Palma raus.
    Dann gibt es da noch den Subtyp »Waterproof«. Diese Menschen fragen nie nach dem Weg. Beide, Männer wie Frauen, sehen aus wie der Überlebenskünstler Rüdiger Nehberg, wobei die Frau zumeist den stärkeren Bartwuchs von beiden hat. Die Waterproofs kennen sich auf der Insel besser aus als jeder Einheimische, obwohl sie gerade erst angekommen sind. Die Hosen haben sie kampfbereit hochgekrempelt, und die Schuhe sind so besohlt, dass sie damit zehn Jahre lang im Himalaya überleben könnten. Die beiden laufen im Stechschritt im Schatten der Edel-Boutiquen entlang, die in keiner gutsortierten Fußgängerzone fehlen dürfen. Selbstverständlich sind sie perfekt eingeschmiert. Ihre Creme hat Lichtschutzfaktor fünfundachtzig, denn sie haben wie jedes Jahr entschieden, blass wie Tiefkühlgeflügel zu bleiben. Selbst wenn in Palma ein Tsunami alles plattmachen würde, hätten sie immer noch einen Kompass in der Harnröhre. Sollte auch der versagen, würden sie anhand der Gestirne den Weg finden. Auch die in Falten gelegte Stirn von – nennen wir ihn mal – Dieter ist nichts anderes als eine Seekarte, um im Notfall auf einer Tür schwimmend das Festland zu erreichen.
    Diese Paare sind der perfekt präparierte, politisch absolut korrekte Outdoor-Öko-Klassiker. Sobald ich die Nehbergs sehe, ziehe ich mich in die nächstbeste Häagen-Dazs-Eisdiele oder zu Burger King zurück – etwas, das ich sonst selten mache.
    Bei meinen bisherigen Spanienaufenthalten bin ich als Deutscher immer recht gut angekommen. Ich habe den Eindruck gewonnen, die Spanier mögen es, dass die Deutschen in allem so anders sind. Dadurch stehen sie nicht in Konkurrenz zu ihnen. Bei den Franzosen ist es anders, denn vor allem die Südfranzosen sind den Spaniern recht ähnlich. Die Franzosen stinken, haben ernsthaft einige Katalanen mit akademischen Grad mir gegenüber behauptet. Aber die Deutschen sind großgewachsen und haben meist blaue Augen. Außerdem haftet ihnen ein für Spanier unerklärbares, nimmersattes Streben an, Dinge oder Abläufe zu verbessern. Allerdings ahnen die Südländer, dass dieser Wesenszug viel mit dem kühlen Klima in Deutschland zu tun haben muss. Die Sonne würde hier übrigens keiner gegen Ingenieurskunst tauschen, auch ich nicht. In diesem Punkt bin ich voll und ganz Spanier.
    Aber sind wir Deutschen tatsächlich cuadriculados ? Sind wir wirklich so unfassbar durchstrukturiert und gleichförmig, dass die Spanier bei »deutsch« unwillkürlich an komplexe und gut funktionierende Maschinen denken? Selbst wenn eine deutsche Fußballmannschaft äußerst ansehnlich und erfolgreich spielt, heißt es am nächsten Tag in den spanischen Gazetten: » Los panzer alemanes derribaron a los ingleses – Die deutschen Panzer haben die Engländer niedergewalzt.«
    Wann immer ich so etwas lese oder höre, muss ich an meine Freunde in Deutschland denken. Von denen weiß keiner, wie man eine Maschine baut. Die meisten können gerade so einen Föhn von einer Bohrmaschine unterscheiden. Sie kommen mir auch weder langweilig, penibel noch verschlossen vor. Aber vielleicht sind sie es ja doch, und ich verkläre nach einem Sommer auf Mallorca schon alles.
    Deutschland wird plötzlich zu einem Konglomerat aus Zahlen und verschwommenen Kindheitserinnerungen, bei denen ich schon mal ins Schwärmen geraten kann. Während mir die mallorquinische Sonne unbarmherzig aufs Haupt brennt, kommt mir komischerweise in den Sinn, wie ich meinen ersten Döppe-Kuche an der Ahr gegessen oder mit elf Jahren dem Hund unserer Dorfärztin mit einem Edding die Eier rot lackiert habe. Wie gerne habe ich mir

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