Papa ante Palma
durchgesagt, stattdessen läuft spanische Popmusik. Das hält einige vereinzelt umherstreunende Duos in mallorquinischer Spielmannstracht aber nicht davon ab, mit Inbrunst in Flöte und xeremia , den mallorquinischen Spross des Dudelsacks, zu blasen. Vor der Kirche laufen ein paar angeheuerte Gaukler auf Stelzen den Kindern davon, andere jonglieren mit gekochten Eiern. Mit einem Wort: Es herrscht jenes Chaos, für das man alle Länder südlich der Alpen so mag.
Als wir an einer Frau vorbeikommen, die einen Strauß Luftballons in Pferdeform in der Hand hält, fangen Luna und Sophie sofort an zu betteln. Ich bleibe hart. Die letzten beiden Gasballons für zehn Euro sind nämlich nach zwei Minuten in den Wipfeln einer Platane gelandet.
»Seht mal da, Kinder, ein geschmückter Wagen«, versuche ich die Mädchen abzulenken.
Wir kommen gerade rechtzeitig zu dem großen Umzug. Die Dorffrauen haben offenbar den kompletten Winter mit Nähen zugebracht und stolzieren nun in den schillerndsten Farben mit ihren Kindern und Männern über den Platz. Hier eine Gruppe knallgelber Kanarienvögel, da ein wandelndes Kartenspiel. Dazwischen von Traktoren gezogene Wagen, auf denen Jugendliche, als Blues Brothers verkleidet, Bier trinken oder im Cowboykostüm in die Luft schießen. Ein waschechter Dorfkarnevalszug. Heimatgefühle kommen auf. Einzig die Kamelle und Pralinenpackungen, die man zuweilen in Deutschland an den Kopf bekommt, und die überehrgeizigen Väter mit den umgedrehten Regenschirmen fehlen heute. Doch, da: Eine Gruppe, die sich offenbar als Wald verkleidet hat, wirft Bonbons.
Luna sieht mich verwundert an. Ihr Gesichtsausdruck ist eindeutig. Wer kann so verrückt sein und freiwillig Bonbons wegwerfen? Schätze, die man normalerweise mit Hundeblick erbetteln und mit Beharrlichkeit gegen andere Kinder behaupten muss.
Während Luna die Welt nicht mehr versteht, krabbelt Sophie schon zwischen den unzähligen Beinpaaren umher und stopft sich die Taschen voll. Auch Lucia hebt ein Bonbon auf, packt es aus und steckt es sich in den Mund.
»Wie absurd, dass unsere zwei köllschen Mädchen den Karneval ausgerechnet auf einer Insel im Mittelmeer kennenlernen«, ruft sie mir ins Ohr. Dabei kann ich hören, wie das Bonbon zwischen ihren Zähnen klackert.
»Erstaunlich, dass du als Karnevalshasserin diese Ironie bemerkst«, sage ich.
Lucia küsst mich und schiebt mir dabei das Bonbon in den Mund.
»He! Was soll das? Mmm, Zitrone, meine Lieblingssorte.«
Sie lacht.
Nachdem der letzte Wagen mit Wikingern in Trinklaune an uns vorbeigerollt ist, setzt es ein. Das Graulen, Gurgeln und Wummern. Es stammt von den tiefen Trommeln aus Tierhäuten, die an Kannibalen hängen und aus dem schwärzesten Dschungel des Kongo zu stammen scheinen. Kurz darauf biegen sie auf den Platz ein. Die Teufel, die demonis . Es sind an die vierzig Mann, alle tragen sie mit Flammen bemalte Anzüge und Kapuzen, auf denen kleine rote Hörner sitzen. Hinter den trommelnden Teufeln läuft eine sofagroße, zähnefletschende Fledermaus auf zwei Beinen. Ein armer Teufel steckt offensichtlich in dem massiv wirkenden Gestell, an dem Sprengsätze, Knallfrösche und Leuchtraketen haften. Was immer das ist, es ist nicht gekommen, um sich Freunde zu machen.
Ich frage den Mann neben mir, was es mit den Teufeln auf sich hat. »Man wird doch wohl kaum im August den Winter austreiben?«
Er zuckt mit den Schultern. »Keine Ahnung, ich glaube, es hat irgendwann mal ein Gastspiel von einer Teufelsgruppe vom Festland gegeben, seitdem machen wir das hier auch. Aber der Tanz der Teufel ist eine katalanische Tradition aus dem Mittelalter zum Amüsement der Adeligen.«
Einige der Teufel stellen sich jetzt im Kreis auf, während die restlichen sie mit archaischen Rhythmen antreiben. Ein schwarzer, sehr großer Teufel mit Gesichtsmaske, der Darth Vader unter den Beelzebuben, schreitet nun mit seinem Stab in ihre Mitte, entzündet ihn und reißt ihn in die Höhe. Nun halten die weißen Teufel ihre metallenen Stäbe an den bereits funkensprühenden Stab des Oberluzifers. Binnen Sekunden steht alles lichterloh in Flammen. Die Teufel wedeln mit ihren Stäben, aus denen riesige Funkenfontänen schießen. Auch die Fledermaus spuckt hinten Feuer und ballert eine Rakete nach der anderen ab, die heulend in den Himmel verschwinden. Selbst in den Platanen drehen sich Feuerkränze. Alles brennt. Innerhalb weniger Minuten hat sich das Familienfest in die Hölle auf Erden verwandelt. Ich
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