Papa ante Palma
toll, die fahren auch zum Hort«, seufze ich
enttäuscht. Ich hatte wirklich gehofft, im Dorf auf weniger Verkehr zu stoßen.
Die Kinder sollten hier gefälligst auf der Straße Völkerball und Käsekästchen
spielen.
Nachdem der letzte Wagen an uns vorbeigerollt
ist, springen wir aus dem Hauseingang und erhöhen die Schrittfrequenz. Die
anfängliche Bummellaune ist mir vergangen. Nur gut, dass mich der betörende Duft
des Rosmarins, meines All-time-Lieblingskrauts, das hier allerorten in den
Gärten hinter den Häuserzeilen wächst, etwas versöhnt.
»Kinder, wir haben es gleich geschafft«, juchze
ich, als die Straße eine Linkskurve macht. »Da vorne ist schon der Hort.«
Die Blechlawine ist sogar noch angewachsen, da
aus den Seitenstraßen Defeaters, Patriots und Colonels dazugestoßen sind. Ein
Dorfpolizist versucht ein wenig Ordnung in die Armada zu bringen und dirigiert
das Geschehen. Türen und Kofferräume öffnen sich. Englischsprachige Mütter
entsichern die Kinder und traben mit ihnen im Schlepptau zum Eingang des
modernen Baus. Im Gegensatz zu dem heruntergekommenen Schuppen in Palma ist das
hier ein wahrer Vorzeigehort.
Schon vor dem Eingang erwartet uns ein kleiner
Biogemüsegarten, in dem lustige Skulpturen stecken. In dem großzügigen,
lichtdurchfluteten Gebäude wird man durch phantasievoll dekorierte, bunte Gänge
geleitet. Es geht vorbei an Collagen, Blättermännchen und Salzteigabdrücken.
Hier ein Raum mit Instrumenten, dort Bälle und Matten für die Knirpse. Wir
passieren das Schwarze Brett, das im Gang hängt. Auf den vielen
handgeschriebenen Zetteln und recht professionell wirkenden Computerausdrucken
wird so einiges angepriesen: gebrauchte Kinderwagen, Babysitting, Massagen und
sogar Häuser.
Beeindruckt wackele ich mit den Mädchen an einer
Zwergenkantine vorbei, vor der eine Tafel Auskunft über das heutige Menü gibt.
Von dem Essraum führt eine Tür auf einen großen Sandspielplatz, der von einer
gigantischen, knorrigen Aleppokiefer beschattet wird.
»Hola« , sagt jemand
hinter uns.
»Si«, antworte ich
und drehe mich um.
Vor mir stehen Carmen und Alba. Anders als bei
Maria und Josef 1 handelt es sich diesmal allerdings um zwei Personen. Die
Erzieherinnen sind beide hübsch und jung, auch fehlen die Kittel und die
teigigen Arme. Ich bin fast ein wenig enttäuscht.
»Das sind also die Zwillinge, stimmt’s?«
»Si« , sage ich noch
einmal.
»Wie süß sie sind. Gut, hier habe ich ein paar
Unterlagen für Papa, und Luna kommt gleich mit mir«, sagt Carmen und händigt mir
einen Ordner mit Informationen und Fragebögen aus.
Meine Tochter springt ihr gleich an die Hand und
verschwindet in ihre Gruppe.
»Und Sophie kommt mit mir«, sagt Alba mit einem
Lächeln und streckt dem anderen Zwilling die Hand entgegen.
Sophie geht hinter mir in Deckung. Nicht schon
wieder, denke ich. Bitte kein Drama und auch kein Gezeter. Zögernd kommt sie
schließlich hervor und lässt sich an Albas Hand in eine andere Hortgruppe
leiten. Einmal dreht sie sich noch um, bevor sie durch die Tür entschwindet. Ihr
Blick ist eine eindeutige Drohung und sagt so viel wie: Ich mache das jetzt mal
dir zuliebe, aber ich merke mir alles. Wenn du in vierzig Jahren sabbernd in die
Windeln machst und ich dich in einem Altenstift parke, das vermutlich genauso
aussieht wie dieser Hort hier, dann kriegst du alles mit Zins und Zinseszins
zurück.
»Macht’s gut, Mäuse«, flüstere ich und verlasse
zügig das Gebäude. Zu Hause ist schließlich die Hölle los.
Draußen stehen die Eltern in Gruppen zusammen und
halten Smalltalk auf Mallorquí, Spanisch, Deutsch, Englisch, Französisch und
Holländisch. Wie in einem Ameisenhaufen lösen sich immer wieder einzelne
Mitglieder bestimmter Verbände, um auf Mitglieder anderer Gruppen zu treffen. Es
folgt eine kurze Begegnung samt Datenabgleich und Geruchscheck oder schlicht ein
Gruß. Es geht um Zugehörigkeiten und Anerkennung. Eltern und ausgewandert –
das ist sicher Stoff für eine starke Gemeinschaft. Ein andermal, sage ich mir.
Die Handwerker warten.
Als ich zu Hause ankomme, ist alles fertig. Die
Möbel sind abtransportiert, das warme Wasser läuft, und auch ein paar dickere
Stromkabel sind längst verlegt.
Ich beschließe spontan, den kleinen forn , den Bäcker bei uns in der Straße, zu testen.
Meine angeschlagenen Nerven können etwas Zucker und Fett gut gebrauchen. Die
Bäckerei ist ein winziger, aber sehr hoher Raum, in dessen Mitte eine alte Frau
auf
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