Papa ante Palma
ziehe Lucia und die Kinder ein Stück aus dem Funkenregen.
»Das ist ja grauenhaft«, brülle ich, ernsthaft in Sorge um mein Gehör, mit dem ich immerhin meinen Lebensunterhalt verdiene, und verabschiede mich.
Geduckt spurte ich über den Platz. Im Slalom laufe ich unter den Feuerbäumen hindurch und an der Luftballonfrau vorbei, die sich etwas abseits von dem wilden Treiben postiert hat, und biege schließlich in die Carrer d’en Mig ein. Geschafft. Noch an der Haustür höre ich das Pfeifen und Zischen des Feuerwerks. Ich trete ein und schließe hinter mir die Tür. Ruhe. Himmlisch. Ich mache mir einen eiskalten vino auf und lege die John-Mayer-Trio- DVD ein, die vor ein paar Tagen mit der Post gekommen ist.
Was für ein Sound! Der Bursche hat’s echt drauf. Nur beim dritten oder vierten Lied stimmt etwas nicht. Der Schlagzeuger scheint irgendwelche eigenartigen Wirbel zu spielen, die so gar nicht zu dem Stück passen wollen. Ich nippe am Wein und stoppe die DVD . Eigenartig, die Wirbel sind immer noch da. Sie kommen von draußen. Trommeln. Die Teufel, denke ich. Schon wieder. Sie scheinen direkt auf unser Haus zuzumarschieren.
Wieso bleiben die nicht auf der Plaza? Konzentriert verfolge ich vom Sofa aus, wie die Trommeln immer lauter werden, bis sie direkt vor dem Sofa zum Stehen zu kommen scheinen. Das Weinglas zittert bei jedem Paukenschlag leicht verzögert nach. Ich schiebe die Vorhänge zur Seite, und tatsächlich: Ein weißer Teufel steht mit dem Rücken zum Fenster und trommelt. Die anderen demonis haben einen Kreis gebildet, in dessen Mitte der Obermufti mit der Riesenfledermaus tanzt. Hier auf der Straße, keine fünf Meter Luftlinie von unserem Sofa entfernt. Ich könnte die dünnen Fenster genauso gut öffnen und den Kopf in die Trommel halten, es wäre kein bisschen lauter. Das war’s dann also mit meinem himmlischen Abend. Keine Kinder, John-Mayer-Konzert und kalter Wein – theoretisch prima, praktisch unmöglich.
Zwanzig Minuten verharrt die Teufelsschar wummernd vor dem Wohnzimmerfenster, dann zieht sie weiter.
Kurz darauf geht die Haustür, und Lucia steht strahlend mit den Kindern im Flur. Eine jede hat einen riesigen Pferdeballon in der Hand.
»He, da seid ihr ja. Diese Teufel sind doch tatsächlich bis genau vor unser Wohnzimmer prozessiert. Aha, Mama hat euch also doch die Ballons gekauft.«
»Ja, die Teufel ziehen jedes Jahr unsere Straße entlang, verharren hier und gehen wieder zurück. Und nein, ich habe den Kindern die Ballons nicht gekauft«, sagt Lucia.
»Nicht? Wer dann?«
»Na, dieser Oberteufel in Schwarz.«
»Wie bitte? Wieso kauft der Teufel meinen Kindern Luftballons?«
»Na, er ist nach der Zeremonie auf dem Platz plötzlich mit den Ballons auf uns zugekommen. Er war sehr charmant und sagte, die Zwillinge seien sehr hübsch, genau wie die Mutter. Du kennst doch die Spanier. Das hat nichts zu bedeuten.«
»Wenn es nichts zu bedeuten hat, muss man es auch nicht erwähnen«, sage ich.
»Ja, so denkst du als deutscher Mann. Die Menschen hier denken halt anders.«
»Hm, hat er denn die Maske mal heruntergenommen?«
»Ja.«
»Und, wie sah er aus?«
Ein bisschen wie George Clooney, nur größer und etwas breiter.
»Jaume!«, schreie ich. »Das ist Jaume, der Bergsteiger und Moderator.«
»Ja, genau. Kennst du ihn?«
»Flüchtig.« Ich denke kurz daran, in die Küche zu gehen, eine Schere zu holen und die Ballons zu zerstechen. Was fällt dem Kerl ein!
»Warum, die Mädchen haben ihn mit großen Augen angesehen und auf Tritt und Schritt verfolgt. Vielleicht hat er sich dadurch genötigt gefühlt, sie ihnen zu kaufen, allein um sie loszuwerden.«
»Der arme Jaume! Mir kommen gleich die Tränen. Bullshit ist das. Du hast ihn aber nicht zufällig auch mit großen Augen angegafft und bist ihm gefolgt? Mann, wie ich diese Schmierlappen hasse, die allen Frauen nur das erzählen, was sie hören wollen.«
»Oh«, sagt Lucia. »Offensichtlich bist du, was mich betrifft, nicht Jaumes Meinung. Interessant … Sehr charmant, der Herr alemán .« Sie lässt mich einfach im Flur stehen.
»Ich … was? Doch, natürlich. Du bist eine wundervolle und attraktive Mutter«, rufe ich ihr hinterher. Das Letzte, was ich jetzt brauche, sind zerschmetterte Möbel und Schweigewochen.
»Na, wenn er recht hat, worüber regst du dich dann auf?«, hallt es aus der Küche.
»Ach, vergiss es«, flüstere ich und schicke Jaume in Gedanken die übelsten spanischen Flüche, die ich
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