Papa ante Palma
Garten betreten hat.
»Leer.« Ich halte die Schale empor. Im schwachen Licht sind sogar noch die angetrockneten Schleimspuren der Diebe zu erkennen. »Zuerst fressen sie fast eine ganze Gitarre, und jetzt saufen sie auch noch mein letztes Bier. Das bedeutet Krieg.«
Nachdem ich mich angezogen, mit den Kindern gefrühstückt und sie in den Hort gebracht habe, mache ich mich zur ferreteria im Dorf auf. Dieses Ladenkonzept gibt es in Deutschland so nicht: ein Gemischtwarenladen, der die Bereiche Werkzeug, Haustierbedarf und Gartenzubehör abdeckt, aber auch gerne mal in andere Produktsegmente wie Chips und Karnevalsverkleidungen abgleitet. Die Besitzer stellen ihre Geschäfte gern mit allen möglichen Dingen voll, und dennoch glänzen sie auf gar wundersame Weise stets durch eines: Sie haben nie das da, was man gerade braucht.
Der Laden gehört Joan Carles, einem kleinen, untersetzten Mann, der seine Lesebrille stets so weit vorn auf der Nasenspitze trägt, dass er sie mit zwei schweren metallenen Brillenbändern sichern muss.
Das Geschäft ist wie immer leer. Nicht mal Joan Carles ist da. Er kommt ab und zu durch eine Tür, die vermutlich in seinen privaten Wohnbereich führt. Aber nur, wenn er selbst etwas aus seinem Laden braucht, und nicht etwa, weil er die wartende Kundschaft bemerkt hat. Meist läuft er dann, den Blick auf den Boden gerichtet, schnurstracks an einem vorbei, murmelt etwas Unverständliches vor sich hin und wirkt hoch konzentriert. Hat Joan Carles in seinen Regalen den Dübel oder die entsprechende Beize für sein eigenes Projekt gefunden, blickt er den potentiellen Kunden mit dem größtmöglichen Ausdruck des Erstaunens über die Lesebrille hinweg an. Ganz so, als ob man ein alter Freund wäre, den er seit zwanzig Jahren nicht gesehen hat und von dem er sich nicht vorstellen kann, warum er ausgerechnet in diesem Augenblick in seinem Laden steht und etwas kaufen will. Dutzende Male hat Joan Carles mich schon unverrichteter Dinge zurück nach Hause geschickt.
»Was gibt’s?«, fragt er nun.
» Caracoles , Schnecken«, antworte ich.
»Auf dem Teller oder im Garten?«
»Im Garten«, sage ich müde lächelnd und werde schlagartig ernst. »Du hast nicht zufällig ein Pulver gegen Schnecken da?«
»Machst du Witze? Natürlich habe ich was da«, sagt Joan Carles, als ob er jeden erdenklichen Artikel dieses Universums führen würde. Er geleitet mich in den hinteren Teil des Ladens, wo auf einem Regal gut sortiert Schneckenvernichtungsmittel in allen erdenklichen Größen und Ausführungen stehen. »Schau«, sagt er grinsend und belädt mir die Arme mit Contra Caracoles, Adiós Caracoles und Toxi Caracol plus, damit ich auch die Schnecken in den Ritzen erwische.
»Ich … ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich bin überwältigt.« Für einen Moment habe ich eine Vision von Schnecken, die sich in Lauge auflösen, Schnecken, die zappeln, Schnecken, die ihre Sünden bereuen … und dann explodieren!
»Was haben sie dir denn getan?«, will Joan wissen.
»Sie haben eine ganze Gitarre verputzt.«
»Una guitarra?« Joan Carles ist sichtlich verwirrt. »Du brauchst wohl eher was gegen Termiten.«
»Nein, ich meine Blumen im Wert von einer Gitarre.«
»Uff, von einer ganzen Gitarre«, wiederholt er in extrem verkaufsfördernder Art und Weise.
» Si , uff«, sage ich, zahle und stapfe voll beladen nach Hause.
Noch bevor ich den Garten betrete, reiße ich eine der Packungen auf, ohne mir überhaupt durchzulesen, was darauf steht. Darin sind bläuliche, eher harmlos wirkende Körner.
»Kamelle!«, rufe ich und schleudere das Zeug faustweise in den Garten. Im Nu bedeckt das Granulat die Beete, so, als wäre blauer Hagel vom Himmel gefallen. Wenn jetzt eine UN -Delegation auf der Suche nach Biowaffen im Nahen Osten zufällig auf dem Rückweg Station in meinem Garten macht, dann bin ich dran. So viel ist klar.
»So, Freunde, das war’s fürs Erste. Ich hole jetzt die Kids ab, und wenn ich zurückkomme, dann sieht das hier aus wie nach der Schlacht bei Waterloo. Und falls nicht, gibt es die anderen beiden Packungen auch noch.«
Ich klopfe mir die Hände an der Hose ab und gehe los.
»Was machen wir jetzt?«, fragt Luna auf dem Nachhauseweg.
»Wir könnten mit der Murmelbahn spielen«, schlage ich vor.
Beide Zwillinge schütteln den Kopf, während ich die Tür aufschließe.
Sophie läuft sofort los. »Ball spielen«, juchzt sie.
»Der Ball liegt im Garten«, sage ich. Dann fallen mir
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