Papa ante Palma
Zieheimer mit unserer Beute. Die alte Frau lässt ein Seil herunter, ich verknote ein Ende der Schnur am Henkel und rufe: »Zieh, Teresa!«
Sie zieht die Last erstaunlich flott nach oben. Nachdem auch der zweite Eimer im Fenster verschwindet und Teresa kurz drauf das Licht in der Küche anschaltet, muss ich kurz an Gene Schneckmän denken. Das hat er sicher nicht gewollt.
Zu meiner Überraschung sind am nächsten Tag weitere Pflanzen völlig kahl gefressen. Im Überschwang ihres Triumphes besitzen einige der Schnecken sogar den Nerv, für alle Welt sichtbar an den Stängeln ihrer Opfer im Wind zu schaukeln. Das kommt einer Beleidigung für jeden Schneckenjäger gleich.
»Schneeeckmääännn«, brülle ich angesichts dieser Niederlage in den Garten.
Obwohl ich eigentlich einen kurzen Jingle für einen Sekundenkleber-Werbespot komponieren muss, den mir Thomas aus Köln durchgereicht hat, sitze ich kurze Zeit später wieder vor dem Rechner, auf der Suche nach Hausrezepten. Gegen Schnecken, nicht für Schneckengerichte.
Schneckenzäune errichten, Moosextrakte ein- oder Igel aussetzen, steht dort. Das ist ja ein toller Ratschlag. Wo soll ich denn jetzt einen Igel herzaubern? Und was soll ich danach mit ihm anstellen? Ihn ebenfalls in Butter ausbacken?
Moment mal, hier: Bier. Das ist die Lösung. Das habe ich doch schon mal gehört. Das Bier lockt die Schnecken, sie plumpsen hinein und ertrinken. Der Gerstensaft solle frisch und gekühlt sein, keinesfalls abgestanden oder warm, so der Autor.
»Frisch und kühl, frisch und kühl«, trällere ich auf dem Weg in die Küche vor mich hin. Der Telefonmann in Palma hatte unrecht. Das Internet kann durchaus sehr nützlich sein. Dank seiner Hilfe werde ich die Schnecken erledigen.
Im Kühlschrank steht genau noch ein Bier. Am Abend spielt Gladbach, mein Lieblingsteam, gegen die Bayern. Ein Klassiker, auf den ich mich schon seit langem freue. Ich will mir das Spiel als Live-Stream ansehen. Vielleicht ist das Bier ja noch zu warm, kommt es mir kurz in den Sinn, dann wäre es laut Internet ungeeignet, und ich könnte es doch abends beim Spiel trinken.
Ich nehme die Flasche prüfend in die Hand. Sie ist eiskalt und damit genau richtig für die Schnecken.
Schweren Herzens kippe ich den eiskalten, perlenden goldgelben Gerstensaft in eine flache Schale und platziere sie im Garten.
»Schnecken dieser Welt«, rufe ich und beobachte aus den Augenwinkeln, wie sich oben an Teresas Fenster der Vorhang leicht bewegt.
»Onkel Steve lädt euch hiermit zu einer riesigen Party ein. Die Getränke gehen aufs Haus. Alle, ich wiederhole alle, sind eingeladen. Auch die kleinen, hässlichen.« Mit gönnerhaftem Unterton. »Kommt und labt euch an meinem letzten Bier. Und glaubt mir, dieser Festakt ist meine letzte Großtat für euch, denn es wird euer letztes Bier sein.« Ich strecke die Arme aus und drehe mich im Kreis, als säßen die Schnecken menschengroß wie in einem Senat um mich herum.
Am Abend sitze ich bierlos vor dem Computerbildschirm. Das Bild stockt ständig. Gladbach verliert. Ein Omen?
Am nächsten Morgen wache ich mit den Hähnen auf. Viel früher als sonst. Die Schneckenplage lässt mir irgendwie keine Ruhe.
Lucia seufzt kurz, als ich mich aus dem Bett schwinge, und dreht sich auf die andere Seite. In Morgenmantel und Pantoffeln begebe ich mich nach unten, um die wohlverdiente Ernte einzufahren. Ich sehe den meterhohen Haufen alkoholgetränkter Mollusken förmlich vor mir. Die ganze Nachbarschaft wird sich mit duftenden Backwaren, Zimt- oder Marzipanschnecken, bei mir bedanken, da ich durch mein beherztes Eingreifen auch die angrenzenden Gärten von den Schädlingen befreit habe.
Doch schon als ich im Licht der Morgendämmerung in den Hof trete, merke ich, dass etwas nicht stimmt. Der Basilikum, der gestern noch gesund und munter wirkte, gleicht nunmehr einem Gerippe. Meine Schritte werden schneller, und mein Herzschlag beschleunigt sich ebenfalls. Im Garten liegt die silberfarbene Schale noch genau dort, wo ich sie hingestellt habe. Ohne eine einzige Schnecke. Bier ist allerdings auch keins mehr drin.
Der Fall ist klar. Entweder stammt der Beitrag in dem Forum von einer sehr intelligenten Schneckenbande, die schnell und möglichst kostengünstig an frisches Bier herankommen wollte, oder die jahrhundertealten Hausrezepte greifen bei meiner Weichtierschar nicht.
»Was zum Geier machst du in aller Herrgottsfrühe hier draußen?«, fragt Lucia, die hinter mir unbemerkt den
Weitere Kostenlose Bücher