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Papa ante Palma

Papa ante Palma

Titel: Papa ante Palma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Keller
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bis unser Gekicher schließlich austrudelt und zum Erliegen
kommt. Charly reibt sich eine Träne aus dem Augenwinkel, wo gar keine ist,
während ich mich ohne Not räuspere. Stille.
    »So, you are bringing me the
Papagei?« Ich strahle und stelle mir vor, dass Lucia es so wollen
würde.
    »You mean the parrot?«
    » Parrot ? Nie gehört,
aber ja.« Ich beuge mich zu dem Käfig herunter, und Vivien legt den Kopf
schief.
    »He, kleines Mädchen, wie geht es dir?«
    » O no , eigentlich ist
es ein Junge«, sagt Charly.
    »Ein Junge? Oh. In Deutschland wäre Vivien
vermutlich ein Mädchen.«
    »Oh, wieso sollte er sein Geschlecht ändern, nur
weil er in Deutschland ist?«, fragt Charly mit angewidertem Gesichtsausdruck,
gerade so, als würde mir irgendwas aus der Nase sprießen.
    »Asshole« , krächzt
Vivien plötzlich mit leichtem Oxford-Akzent in die Stille hinein.
    In der Ferne bellt ein Hund. Eine Baumaschine
wird mit einem Stottern angelassen. Der Wind bläst eine Getränkedose die Straße
herunter. Ich blicke Charly tief in die Augen.
    »Hmm … okay … hat der Vogel gerade asshole gesagt?«
    »Nein, nein, er kann nicht sprechen.« Charly
winkt lachend ab.
    »Aha. Wie alt ist er denn?«
    »Dreiundvierzig. Er ist bei meinem Schwiegervater
aufgewachsen, und nun lebt er seit fünfzehn Jahren bei uns.«
    Charly folgt uns ins Kaminzimmer und stellt den
Käfig auf den Boden. Aus einer Tasche zieht sie eine Packung mit Körnerfutter
hervor.
    »Es wäre sehr nett, wenn du ihm jeden Tag etwas
frisches Wasser und Futter geben könntest. Und einmal den Käfig säubern wäre
toll.«
    Käfig säubern, denke ich. Pah, damit wird schön
gewartet, bis Lucia wieder da ist. Dann sage ich: » Yes, of
course . Vivien wird bei uns einen schönen Aufenthalt haben.«
    »Hier ist meine Handynummer, für den Notfall.«
Sie gibt mir eine Visitenkarte. Charly Taylor, Property estate agent –
Maklerin also.
    Ein letzter zärtlicher Blick in den Käfig, dann
geleite ich die Engländerin zur Tür.
    » Thank you very much .
Der Urlaub bedeutet uns sehr viel.«
    »Asshole« , schallt es
aus dem Kaminzimmer in den Flur herüber.
    »You are welcome« ,
überspiele ich den verhaltensauffälligen Vogel. »Genießt eure Ferien.«
    Zurück im Kaminzimmer, setzen wir uns zu dritt im
Schneidersitz um den Käfig.
    »Wie heißt der?«, fragt Luna.
    »Das ist Charly«, sage ich. »Nee, Vivien. Der
Papagei ist schon ganz alt. Älter als Papa.«
    Die Kinder blicken den Vogel ehrfürchtig an.
    »Vivien wohnt für ein paar Tage bei uns. Und
hier, seht ihr, das Körnerfutter, das wir ihm geben sollen.« Ich halte die Tüte
hoch.
    »Ich jetzt den streicheln«, sagt Sophie.
    »Ja, aber ich habe Charly gar nicht gefragt, ob
wir den rausnehmen dürfen. Wisst ihr, Papageien gelten als höchst sensible und
intelligente Tiere, glaube ich.«
    »Asshole« , kontert
Vivien und untermauert meine These damit eindrucksvoll. Seine Unverschämtheiten
kommen so perfekt auf den Punkt, dass es sich nur um ein außergewöhnliches
schlaues, wenn auch offenbar einsilbiges Individuum handeln kann.
    »Was hat der eben gesagt?«, fragt Luna.
    »Öh … Es … es, es, es … es holt.
Er hat ›es holt‹ gesagt.«
    »Es holt was?«, fragt Luna.
    »Gemüse. Es holt Gemüse. Wisst ihr, so wie
Miguel, der uns immer den Bio-Gemüsekorb bringt. Jedenfalls so ungefähr.«
    Die Pupillen der Kinder setzen sich in Bewegung
und bleiben irgendwo an einem unbestimmten Punkt an der Wand haften. Ein
eindeutiges Indiz dafür, dass sie die Information verarbeiten. Da keine weitere
Frage folgt, scheinen sie mit der Antwort zufrieden zu sein.
    »Papaaahhh, mir ist kalt«, sagt Sophie.
    »O ja. Morgen kommt der Mann mit den Gasflaschen,
dann können wir die Öfen anmachen«, sage ich und versuche schnell vom Thema
abzulenken. »So, mal sehen, ob der Papagei auch ein bisschen sprechen kann.
Vivien kann vermutlich kein Deutsch oder Spanisch, aber Papa versucht es mal in
einer anderen Sprache. Die heißt Englisch.«
    »Englisch?«, plappert Luna nach, »So wie
Luke?«
    »Ja genau, wie Luke, der auch Zwillinge hat.«
    »Okay, Vivien.« Ich gehe mit dem Gesicht so nahe
an den Käfig, dass die Nase fast zwischen den Gitterstäben steckt. »Can you say something?«
    »Somethiiiiiing« ,
trötet der Vogel nach einer kleinen Bedenkzeit heiser.
    »Can you say Sophie?«
    »Sophieee«, wiederholt Vivien mustergültig.
    Meine Tochter strahlt über das ganze Gesicht.
    »Asshole« , krächzt
der Vogel nun

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