Papa ante Palma
doch, wie viel
Spaß Sophie an Tieren hat. Sie tun ihr gut. Erinnere dich doch nur mal daran,
wie wir Frau Leutheusser-Schnarrenberger für ein paar Tage aufgenommen haben,
weil einer meiner Kollegen beruflich nach Deutschland musste.«
»Ja, der hatte Nerven, sammelt irgendwo einen
namenlosen Köter auf, wirft ihn bei uns in den Garten und sagt, er müsse auf ein
Seminar zum Thema Work-Life-Balance nach Deutschland.«
»Sophie hat sich total süß um Frau Leutheusser
gekümmert.«
»Leutheusser-Schnarrenberger, wenn ich bitten
darf.« Ich nehme Lucia in den Arm und küsse sie. »Wie schaffst du es nur, immer
so frisch und wundervoll auszusehen?«
»Komm schon, cariño ,
nur eine Woche, dann holen sie Vivien wieder ab. Charly hat mir gesagt, dass sie
und ihr Mann wegen des Vogels seit fünfzehn Jahren nicht mehr zusammen
weggefahren sind.«
»Bitte? Das ist doch absurd! Die haben echt ’nen
Vogel.«
»Vivien ist wie ein Kind für sie. Charlie und
Howard haben ja keine.«
»Kann ich mittlerweile ganz gut verstehen.«
»Also, ist das ein Ja?« Lucia klimpert mit ihren
Rehaugen. »Charly kommt heute um sieben vorbei.«
»Heute schon? Ich habe doch recht in Erinnerung,
dass du gleich zu der Präsentation nach Zürich fliegst und erst in drei Tagen
wiederkommst? Korrekt?«
»Korrekt. Wo ist das Problem?«
»Das Problem ist, dass Charly dein Vogel …
ich meine, dass Vivien deine Freundin ist.«
»Du meinst Charly. »
»Ja, genau. Es ist eine Sache, dass wir den Vogel
nehmen, eine andere aber, dass du erst mal weg bist, während ich den Käfig
säubern und mir den ganzen Tag das Gekrächze anhören soll.«
»Wenn ich aus Zürich zurück bin, kümmere ich mich
komplett um Vivien, und du hast deine Ruhe. Versprochen.«
»Deal!«
Drei vor sieben. Jemand schlägt mit dem
bronzenen Klopfring an die Eingangstür.
»Wer ist das?«, ruft Sophie, »Mama? Au ja,
Mama!«
Seitdem Lucia häufiger beruflich durch Europa
fliegt, hat die Mamitis unserer Tochter noch zugenommen.
»Ich glaube, das sind eher Charly und Vivien«,
antworte ich, streichle ihr tröstend über den Kopf, und öffne die Tür.
»Hey, Vivien, how are
you?« , sage ich in meinem besten Schulenglisch wiss tschörman äkssent .
Vor mir steht eine rothaarige Frau um die
fünfzig. Sie ist sehr groß und schlank. Ihr Gesichtsausdruck erinnert mich an
Rocky Balboa unmittelbar nach dem Kampf um die Weltmeisterschaft im
Schwergewicht gegen Apollo Creed. Etwas gequält und zugleich irgendwie
erleichtert. Vermutlich auch etwas gequält, weil sie den Papagei abgeben muss,
und dennoch froh, weil Lucia mich offensichtlich instruiert hat. In der rechten
Hand hält sie einen großen metallenen Käfig, in dem ein mausgrauer, hässlicher
Papagei sitzt. Während das Gefieder an Flügeln und Kopf einen relativ normalen
Eindruck macht, ähnelt die Brust einem Tiefkühlhühnchen im Supermarkt. Sie ist
völlig kahl gerupft.
»Hi, ich bin Charly, und das hier ist Vivien.«
Sie zeigt auf den Papagei. »Du musst Steve sein. Das ist ein englischer Name, isn’t it ?«
Die Kinder stehen mittlerweile hinter mir. Luna
starrt aus sicherer Entfernung fasziniert auf den Papagei.
» Yes , ein paar
Freunde haben mich so genannt, vielleicht weil es zu viele Stefans in unserer
Klasse gab.«
»Oh.« Charly lacht. Dabei schlägt sie eine Hacke
in Richtung Po nach oben.
Ich lache mit. Dadurch gewinnen wir Zeit, um
uns zu taxieren und wichtige Entscheidungen zu treffen.
Mein Entscheidungsbaum während des Lachens
verläuft so:
Frage 1: Mag ich Charly? Antwort 1: Geht so.
Frage 2: Mag ich Vivien? Antwort 2: Nein.
Wenn Frage 1 und 2 nicht mit Ja beantwortet
werden können, reicht es dann, um eine Woche mit dem Papagei zu verbringen?
Antwort: Nein!
Bei einem Nein stellt sich wiederum die Frage, ob
ich Lucia so sehr liebe, dass ich ihr diesen Gefallen tue, also irgendwie über
Bande gespielt.
Antwort: Ja.
Charlys Entscheidungsbaum sieht dagegen
vermutlich so aus:
Frage 1: Mag ich Steve? Antwort 1: Geht so.
Frage 2: Mag Vivien Steve? Antwort 2: Nein.
Wenn Frage 1 und 2 nicht mit Ja beantwortet
werden können, reicht das dann, um den Papagei für eine ganze Woche
dazulassen?
Antwort: Nein!
Ein Nein bedeutet allerdings, dass der für meine
Partnerschaft so wichtige Urlaub schon wieder ins Wasser fiele, wegen Vivien.
Ich müsste es Howard erklären und die Tickets stornieren. Will ich das?
Antwort: Nein!
Wir lachen immer noch. Allerdings werden unsere
Lachpausen länger,
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