Papa
tat so, als hätte er es nicht bemerkt, und fuhr fort. »Der Mond, diese Zahlen und die Blüte«, er legte den entsprechenden Ausdruck auf den Haufen, »hat er unterhalb des Mädchens tätowiert. Das wirkt so willkürlich.«
»Nein. Damit gibt er uns den Zeitpunkt an, wann Lilly sterben wird.«
Robert bewunderte Maik, wie professionell er mit der Situation umging. »Sie wird nicht sterben! Warum denkst du das?«
»Wie viele Hinweise braucht man, um einen ganz bestimmten Zeitpunkt anzugeben?«
»Ich weiß nicht. Einen für die Stunde, einen für …«
»Drei. Einen für den Monat, einen für den Tag und einen für die Uhrzeit. Drei Angaben. Drei Rätsel.«
Das klang logisch, doch wofür war es gut?
Ich habe es in Gang gesetzt. Jetzt helft mir, bevor es zu spät ist.
Das schien der Täter sagen zu wollen.
Ihr habt Zeit, bis sie stirbt, danach werdet ihr mich nicht mehr kriegen.
Völlig unvermittelt sprang Maik auf. Robert zuckte zusammen. »Erschreck mich doch nicht so.«
»Ich hole was zu essen. Zum Rätselknacken braucht das Gehirn Zucker«, murmelte Maik und ging hinaus.
Robert starrte ihm nach. An Maiks Stelle würde er auch Luft schnappen wollen. In seiner Situation wäre er bestimmt nicht so ruhig. Aber das war Maik. Kopfschüttelnd nahm Robert sich wieder die Ausdrucke vor. Ein Zahlenrätsel. Das konnte doch nicht so schwierig sein.
1659 = 2
1555 = 0
1556 = 1
9999 = 4
0000 = 4
1111 = 0
1029 = ?.
Robert rief sich seine Mathekenntnisse ins Gedächtnis und rechnete. Er bildete Quersummen, addierte die untereinanderstehenden Zahlen, multiplizierte, versuchte, Reihen zu bilden und Abhängigkeiten zu erkennen, doch er kam zu keinem logischen Ergebnis.
Resigniert wandte er sich dem zweiten Rätsel – dem Vollmond – zu, hielt inne und schaute wieder zurück.
Er hatte etwas übersehen: einen Punkt hinter dem Fragezeichen der Lösungszahl. Wenn Maik recht hatte, so dachte er, stünde das erste Rätsel für den Tag, das zweite für den Monat und das dritte für die Stunde.
Aber jeder Monat hatte einen gottverdammten Vollmond. Der August in diesem Jahr sogar zwei. Und was sollte die Blüte?
Robert verzog das Gesicht. So kam er nicht weiter. Er schaute sich das andere Bild an. Ein Wolf und ein Schaf.
Vielleicht sollte es nur der Hinweis sein, dass Ried, der Wolf, wieder auf der Jagd ist? Zumindest schien es das zentrale Thema zu sein, immerhin fand sich dieses Bild auch auf einem der Polaroids. Täter und Opfer. Wolf und Lamm.
Robert fühlte sich beim Anblick der Bilder fehl am Platz. Die Ermittler in Büchern und im Fernsehen waren im Vergleich zu ihm um so vieles fähiger. Es kam ihm vor, als stünde er vor einer unüberwindbaren Mauer. Das Schwierigste dabei war, es nicht zu zeigen. Nach außen hin abgeklärt wirken und auf den Zufall hoffen.
Robert zuckte zusammen, als ihn das Telefon aus den Gedanken riss. Er wartete einen Moment, bis sich sein Herz beruhigt hatte, und nahm ab.
»Bendlin.«
Am anderen Ende knisterte es. »Robert?«
»Ja?«
»Gerd hier. Ich habe ein Laborergebnis für dich, das dich interessieren könnte.«
Unruhig rutschte Robert auf seinem Stuhl hin und her. Die nächsten Puzzleteile kamen herein, und er hoffte, sie würden zu einem der anderen passen. »Raus damit.«
»Ja, also das Polaroid wurde auf Fingerabdrücke kontrolliert.«
»Wie hoffentlich alles andere auch?«
»Ja natürlich, aber es wurden nur die von Thomas Ried gefunden. Was nichts bedeuten muss. Viel interessanter allerdings ist die Tatsache, dass die Polaroids nicht frisch sind.«
Robert schob die Augenbrauen nach oben. »Ach was.«
»Ja«, sprach Gerd weiter, der eigentlich nur zwei Büros entfernt saß. »Die Chemikalien deuten darauf hin, dass sie älter sind. Genaueres kann man noch nicht sagen, aber das Labor schätzt, dass sie vor über zehn Jahren geschossen wurden.«
Verdammt, was hatte das nun wieder zu bedeuten? »Vielen Dank für die Info. Gibt es sonst noch etwas?«
»Das war alles. Wenn ich was Neues habe, melde ich mich.«
»Danke dir, Gerd.« Er legte auf. Also hatte Ried damals Fotos von seinen Opfern gemacht und sie bis jetzt versteckt. Und wo er gerade gedanklich bei Ried war: Wie konnte er einfach so spurlos aus einem Hochsicherheitstrakt verschwinden? Es gab so viele Rätsel und Ungereimtheiten, dass er davon Kopfschmerzen bekam. Wo war Kommissar Zufall, wenn man ihn mal brauchte?
»So, Kollege, ich bin zurück.« Maik polterte durch die Tür. Er balancierte einen
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