Papa
Pappkarton, blieb vor ihm stehen und fischte einen Donut mit lilafarbener Glasur hervor. »Hier«, er hielt ihn Robert vor die Nase. »Mit Waldfrucht. Einer davon gehört dir. Es geht doch nichts über ordentliche Nahrung, oder?«
Robert blickte durch das Loch im Donut seinen Kollegen an und spürte ein Kribbeln in der Magengrube.
Da war er, der Zufall.
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Kapitel 14
J e näher Michelle ihrem Ziel kam, desto nervöser wurde sie. Sie hatte keinen blassen Schimmer, auf was sie sich einließ. Und anstatt ihrer Tochter näher zu kommen, hatte sie das Gefühl, sich von ihr zu entfernen. Eine Entfernung, die man nicht nur in Kilometern rechnen konnte.
Was hatte Tom bei den Koordinaten versteckt? Die Leichen, die von der Polizei nie gefunden wurden? Das Werkzeug, mit denen er seine Opfer … geschnitten hatte, wenn er unterwegs war?
Nur in einer Sache war sich Michelle absolut sicher: Sie wollte es eigentlich nicht wissen. Am liebsten wäre sie auf der Stelle umgedreht, doch das Gefühl, ihre Tochter vielleicht retten zu können, war stärker als jede andere Kraft in diesem Universum. Für Lilly hätte Michelle alles getan.
Sie hatte die Autobahn schon lange verlassen und fuhr bereits eine Weile durch kleinere Ortschaften und einsame Gegenden. Sie war noch nie in Hessen gewesen und überrascht, wie schön es hier war. Nicht so überfüllt wie das Ruhrgebiet, nicht so aufgeladen mit Stress und Hektik. Jedoch vermochte selbst die stille Natur um sie herum nicht die Unruhe aus ihrem Körper zu vertreiben. Die dunklen Gedanken. Die Selbstvorwürfe.
Was geschehen ist, ist geschehen. Du kannst es jetzt nicht mehr rückgängig machen, also konzentrier dich verdammt noch mal auf deine Aufgabe!
Michelle trommelte mit den Fingern auf das Lenkrad und schaute zum Navi. Nur noch ein paar Kilometer, und sie würde wissen, ob sich die Fahrt gelohnt hatte.
Mir machst du nichts vor, Michelle. Ich kann deine Angst
riechen.
Wenn du dich in
seine
Vergangenheit wühlst, wirst du deine Vergangenheit vielleicht aus einem neuen Blickwinkel sehen. Willst du das wirklich? Willst du das?
Michelle bekam keine Luft mehr, trat auf die Bremse, wartete, bis das Auto stand, und stieg aus. Sie hielt sich an der Tür fest, bis der plötzliche Schwindel vorüber war, und sog die herrlich kalte Luft ein. Es roch nach nassem Asphalt und Kuhmist.
Was zum Teufel tat sie hier? Sie war froh, dass sie mit der Vergangenheit abgeschlossen hatte, und doch tat sie alles, um dorthin zurückzukehren.
Weil du mit
gar nichts
abgeschlossen hast. Das ist es doch. Du bist hier, weil du es willst. Du witterst eine Chance.
War es so? Sah sie in dieser Recherche die Möglichkeit, die Dinge, die schiefgelaufen waren, zu korrigieren und endlich beiseitezulegen?
Bisher hatte sie ihr eigenes Risiko völlig ausgeblendet. Sie mischte sich hier in Polizeiarbeit ein. Sie hielt Beweise zurück. Und was, wenn sie tatsächlich etwas finden würde? Was käme noch hinzu? Michelle blendete die Frage aus. Eins nach dem anderen.
Wenn
du
nicht willst, sage
ich
es dir: Solltest du einen Hinweis auf diese Chinesin finden, kommen Entführung und Beihilfe zum Mord dazu, denn was Tom mit ihr vorhat, ist dir ebenso klar wie die Tatsache, dass du nicht umkehren wirst. Du hast dich nie vor schwierigen Entscheidungen gedrückt, nicht wahr? Na gut, bis auf diese eine, und wie das ausgegangen ist, hast du am eigenen Leib gespürt.
Michelle sperrte die Stimme in den Keller ihres Bewusstseins.
Als sie zu frösteln begann, setzte sie sich wieder ans Steuer und fuhr weiter. Wie immer hatte die Stimme recht. Michelle würde nicht umkehren. Sie vertraute der Polizei kein Stück, daran ließ sich nichts ändern, also hatte sie keine andere Wahl, als auf ihre Weise weiterzumachen. Maik würde ebenso handeln, das wusste sie.
Dann weihe ihn in deine Pläne ein. Immerhin ist er Polizist.
Die Vorstellung war verlockend, aber das Risiko war zu hoch. Wenn Tom auch nur die leiseste Ahnung hätte, dass Maik … nein, sie musste das allein schaffen.
Zwanzig Minuten später hielt sie erneut. Ihr Ziel lag von hier aus ein paar Meter querfeldein. Es war eine Weide, umgeben von flüsternden Wäldern. Hier waren Geheimnisse zu Hause. Die Luft roch danach. Seichter Wind strich über das Gras, und durch eine Wolkenlücke schien die Sonne.
Michelle hielt das Navigationsgerät vor sich, das sie sich von Iris, einer Bekannten, geliehen hatte. Sie spürte den Herzschlag im Hals. Im gleichen Rhythmus pochte
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