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Paperboy

Paperboy

Titel: Paperboy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Dexter
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sagte der alte Mann und schien das seltsam komisch zu finden.
    »Wenn Sie bitte in Ihren Akten nachsehen würden …«
    Yardley Acheman fiel meinem Bruder ins Wort. »Anders ausgedrückt, Mr. Pine, falls Sie Ihre Akten nicht überprüfen und kein Treffen zwischen uns und Mr. Van Wetter arrangieren wollen und falls wir einen eigenen Anwalt engagieren müssen, um Mr. Van Wetters Interessen zu wahren – und ich verspreche Ihnen, dass wir genau das tun werden, wenn wir hier mit leeren Händen wieder herausmarschieren –, dann wird dieser Anwalt, solange er hier ist, Mr. Van Wetters Fall von Grund auf durchleuchten und auch die Kompetenz seiner Strafverteidigung überprüfen, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    Der alte Mann saß da und schluckte. »Mit Hillary Van Wetters Verteidigung vor Gericht ist alles in Ordnung«, sagte er.
    »Von uns haben Sie nichts zu befürchten«, sagte Yardley Acheman in freundlicherem Ton. »Wir wollen bloß mit ihm reden.«
    »Dem öffentlichen Wohl zuliebe habe ich diesen Fall angenommen«, sagte der alte Mann. »Ich habe keinen Cent an dem Mann verdient.«
    Wieder blieb es eine Weile still. »Wir wissen natürlich von Ihrem lobenswerten Engagement zum Wohle der Allgemeinheit«, sagte Yardley Acheman.
    Charlotte öffnete ihre Handtasche und fand eine Zigarette. Der alte Mann sah ihr zu, wie sie die Zigarette ansteckte.
    »Sie haben mir Ihr Bild geschickt«, sagte er.
    Sie nickte und sog den Rauch tief in ihre Lunge. »Ich bin seine Verlobte«, sagte sie.
    »Ich glaube, Sie verschwenden Ihre Zeit«, sagte er einen Moment später, schaute dabei aber erneut auf das Familienalbum, und uns war nicht klar, zu wem er geredet hatte.
    »Wir sind geduldig«, sagte Yardley Acheman.
    Der alte Mann gab uns einen Termin für ein Treffen mit Hillary Van Wetter, wollte sich aber nicht überreden lassen, uns zu begleiten, um eventuell auftauchende Probleme bei Betreten des Gefängnisses aus dem Weg zu räumen.
    »Ich habe kein Verlangen danach, Mr. Van Wetter zu Lebzeiten noch einmal wiederzusehen«, sagte er ein wenig steif.
    »Sie sind sein Anwalt«, sagte Yardley Acheman. Wir waren wieder in dem kleinen Büro, wo Weldon Pine seine Akten aufbewahrte.
    »Jawohl, Sir, das bin ich«, sagte er, »und in dieser Funktion werde ich auch weiterhin Mr. Van Wetters Rechte schützen, aber an einer weiteren persönlichen Begegnung habe ich kein Interesse.« Er warf uns einen vernichtenden Blick zu und sagte: »Der Mann hat mir schon mehr abverlangt, als ich ihm je geben wollte.«
    AM MORGEN JENES TAGES , an dem sie ihrem Verlobten zum ersten Mal von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen sollte, verließ Charlotte die von ihr gemietete Wohnung in einem gelben Kleid. Mein Bruder, Yardley Acheman und ich saßen draußen im Mietwagen und warteten. Charlotte war eine Viertelstunde zu spät. Keiner von uns hatte sie bislang in einem Kleid gesehen. Sie trug weiße Schuhe mit niedrigen Absätzen und hatte offensichtlich einige Zeit vor dem Spiegel zugebracht.
    Vom Bürgersteig aus wirkte sie so jung wie auf dem Foto.
    »Jetzt seht euch das an«, sagte Yardley Acheman. Mein Bruder schwieg. Ganz natürlich ging Charlotte von der Wohnungstür zum Straßenrand, als würde sie jeden Tag ein Kleid und weiße Schuhe mit Absätzen tragen. Dann setzte sie sich ins Auto und zog behutsam die Beine nach, um sich keine Laufmasche zu holen.
    Fünf Meilen hinter Lately griff sie plötzlich nach dem Rückspiegel und richtete ihn so aus, dass sie ihr Gesicht sehen konnte. Gleichmäßig verrieb sie das Make-up an ihrem Hals, erst auf der einen, dann auf der anderen Seite. Als sie fertig war, ließ sie den Spiegel in dieser Stellung, damit sie sich begutachten konnte, und steckte sich eine Zigarette an. Lange Zeit sagte niemand ein Wort. Die Fenster waren geschlossen, damit der Wind ihr Haar nicht zerzauste, und die Luft war schwer vom Geruch ihres Shampoos und Parfüms.
    Ich fürchtete, Yardley Acheman würde eine witzige Bemerkung machen, aber er schwieg. Er saß auf dem Rücksitz, die Hände im Schoß gefaltet, und sah sie an, schaute dann aus dem Fenster und warf ihr erneut einen Blick zu, als könnte er nicht von ihr lassen.
    Sie beachtete ihn nicht, nahm selbst das Gefängnis kaum wahr. Sie schien aufzuschrecken, als ich wieder in den Kiesweg einbog, über den wir bereits einmal gefahren waren, und mein Fenster herunterkurbelte, um mit der Wache zu reden.
    Yardley Acheman richtete seine Aufmerksamkeit auf den verzweigten

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