Paperboy
brennen.«
Sie steckte sich noch eine Zigarette an. »Deren Problem ist das glatte Gegenteil von Ihrem Problem«, sagte sie. »Da drinnen können sie nicht vergessen, wo sie sind.«
Eine Weile herrschte Stille, und sie wandte sich von mir ab, um das Gefängnis anzustarren. »Hillary weiß bestimmt, dass ich hier bin«, sagte sie.
Ich glaubte nicht, dass sie recht hatte, aber für Unbeteiligte lässt sich nur schwer beurteilen, was zwischen einem Mann und einer Frau vorgeht, die heiraten wollen, ohne sich jemals gesehen zu haben.
Sie saß da mit gespreizten Beinen und rauchte, während es am Himmel dunkel wurde. Nachtinsekten flogen in den Wagen hinein, und ich schlug sie mir von den Armen und vom Hals. Im Gefängnishof gab es Leuchtkäfer. Charlotte Bless saß still, immun gegen Insekten, ihr Gesicht glühte auf, wenn sie hin und wieder an der Zigarette zog, dann verschwand es wieder im Dunkeln. Vielleicht mochten die Mücken keinen Rauch.
Ich stellte mir vor, wie es wäre, sie auszuziehen, gleich hier im Wagen, während keine Viertelmeile entfernt Hillary Van Wetter in seiner Zelle lag und eine plötzliche Ahnung ihn in seinem Bett auffahren ließ.
Aber es war nur ein Gedanke; er glühte auf und verblasste wieder wie ihr Gesicht, wenn sie an der Zigarette zog. Mir schien, selbst Hillary Van Wetter hätte mir diesen Gedanken verziehen.
WELDON PINE war zweiundsiebzig Jahre alt und seit sechsundfünfzig Jahren praktizierender Anwalt im Norden von Moat County, ein Relikt aus einer Zeit, in der der Abschluss eines anerkannten Jurastudiums noch keine Voraussetzung für den Anwaltsberuf gewesen war. Und obwohl Mr. Pine keinen Studienabschluss besaß – wenigstens nicht im akademischen Sinn, doch konnte er die Ehrendoktorwürde der Jurisprudenz der Christian University of North Florida vorweisen –, war er doch mit jedem Menschen persönlich verbunden, der seinen Lebensunterhalt im oder am Gericht von Moat County verdiente. Genauer gesagt war er der Mann, der darüber entschied, ob viele von ihnen überhaupt etwas verdienten. Im nördlichen Moat County war es eine unstrittige Tatsache, dass er der beste Anwalt der Südstaaten war.
Mr. Pine saß immer noch in dem Büro, das er zu Beginn seiner Karriere angemietet hatte. Es lag in einem Gebäude schräg gegenüber vom Gericht, und obwohl er längst nicht nur das Gebäude besaß, in dem sich sein Büro befand, sondern auch den gesamten dahinterliegenden Häuserblock, ließ er das Eckzimmer im ersten Stock unverändert so, wie er es am Tag seines Einzugs vorgefunden hatte. Ein Eichentisch stand mitten im Zimmer und ließ gerade genügend Platz, dass man die Tür öffnen konnte. Die Jalousien vor den Fenstern waren heruntergezogen, die metallenen Aktenschränke standen an der gegenüberliegenden Wand.
Von seiner Lage, der Dachsilhouette und dem Umstand abgesehen, dass es hier nicht nach Zwiebeln roch, war dieses Büro kaum besser als das Zimmer, das sich mein Bruder und Yardley Acheman über dem Moat-Café eine halbe Meile weiter nördlich gemietet hatten.
Eigentlich wirkte es sogar kleiner, sobald wir alle eingetreten waren. Mr. Pine saß hinter seinem Schreibtisch, in einem neuen Anzug und frisch frisiert, ein kräftiger, untersetzter Mann, der sich das wellige weiße Haar einen Zentimeter über den Ohren abrasieren ließ.
Vor dem Tisch stand ein einziger Stuhl, auf den sich Yardley Acheman setzte.
»Mir fällt gerade ein«, sagte Mr. Pine und schaute auf uns, die wir noch standen, »dass wir es im Konferenzraum wohl ein wenig bequemer hätten.«
»Kein schlechter Gedanke«, sagte mein Bruder.
Der alte Mann hob einen gekrümmten Zeigefinger und sagte: »Aber …«, wir warteten eine lange, dramatische Pause ab, »… Fotos werden ausnahmslos hier gemacht. Haben wir uns verstanden?«
Ward und Yardley Acheman schauten sich einen Augenblick an, dann stand Yardley Acheman auf, das Hemd klebte ihm schweißnass auf der Haut. Ein kleiner Ventilator drehte sich neben dem Fenster, war aber offensichtlich für ein Zimmer gedacht, in dem sich keine Leute aufhielten.
»Für Fotos ist es noch ein bisschen früh«, sagte Ward, und damit schien sich Mr. Pine zufriedenzugeben.
Wir folgten ihm durch das Büro der Sekretärin und über einen mit Teppichen ausgelegten Flur. Der Konferenzraum lag hinter den letzten beiden Türen auf der rechten Seite, und in ihm gab es genügend Sessel für uns alle.
Charlotte stemmte die Hände in die Seite und besah sich die von juristischer
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