Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Paperboy

Paperboy

Titel: Paperboy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Dexter
Vom Netzwerk:
die Schönheit in solchen Dingen zu erkennen. Deshalb blieb er auch außen vor, während mein Bruder sich einarbeitete und die Details des Untergangs nachzeichnete.
    Yardley Acheman saß an seinem Schreibtisch und prüfte einzelne Abschnitte der Mitschrift, die mein Bruder mit grünem Stift markiert hatte.
    Das Hillary Van Wetter angetane juristische Unrecht wurde in diesen unterstrichenen Abschnitten deutlich. Die Unfähigkeit seines Anwalts Weldon Pine wurde höchstens noch durch die Unfähigkeit jener Hilfssheriffs aufgewogen, die die Beweisstücke gesichert und die Verhaftung vorgenommen hatten. Messer und Hemd beispielsweise, die man blutbefleckt in Hillary Van Wetters Spülbecken entdeckte, waren auf dem Weg zum Sheriffbüro in Lately verloren gegangen.
    Die Geschichte, die Hillary Van Wetter den Hilfssheriffs an jenem Abend erzählte, dass er nämlich am Mordabend mit seinem Onkel Tyree zusammen gearbeitet hatte, war niemals überprüft worden. Hillary Van Wetter erwähnte dies nur einmal, im Zeugenstand, und wurde nie gebeten, dazu nähere Angaben zu machen, nicht einmal im Kreuzverhör.
    Sein Onkel wurde nicht vorgeladen und erschien auch nicht zum Prozess. Womit nicht gesagt sein soll, dass er erschienen wäre, wenn man ihn vorgeladen hätte.
    Für die Van Wetters war die Verhaftung eines Familienmitglieds wie ein Todesfall. Wer verschwunden war, der war verschwunden, und wenn Neuigkeiten dieser Art über die Familie hereinbrachen, dann schloss man die Augen und wollte nichts davon wissen.
    YARDLEY ACHEMAN warf einen Teil des Verhaftungsprotokolls auf seinen Tisch und lehnte sich zurück. Vielleicht, weil ihm plötzlich aufgegangen war, dass er in die Feuchtgebiete des County vordringen musste, wenn er Tyree Van Wetter aufspüren wollte. Dorthin, wo die Familie wohnte. Dass er Leuten von seiner Zeitung erzählen musste, die keine Zeitungen lasen und die nicht einsahen, wie oder warum ihr Leben jemand anderem als ihnen selbst gehören sollte. Leuten mit Messern und Hunden, die Tierhäute zwischen die Bäume auf ihrem Hof spannten.
    Yardley Acheman stieß sich mit den Füßen vom Tischrand ab, bis sein Kopf die Wand hinter dem Stuhl berührte. Er hätte für ein Foto posieren können.
    »Ich glaube, wir haben auch ohne den Onkel genug«, sagte er.
    Mein Bruder blickte auf und wartete. Yardley Acheman nickte, als hätten sie einen Streit. »Wir könnten uns um den Onkel herummogeln«, sagte er. »Damit würden wir durchkommen.«
    Mein Bruder schüttelte den Kopf. Er hatte nicht vor, etwas zu ignorieren, nur weil es unbequem war. Zu der Sorte Reporter gehörte er nicht. Er wollte die Dinge eindeutig haben.
    »Wir brauchen den berechtigten Zweifel an dieser Stelle doch nur zu unterfüttern«, quengelte Yardley Acheman. »Wir lassen uns zu sehr auf Details ein, das hemmt den Erzählfluss.«
    »Sehen wir, wie es weitergeht«, sagte mein Bruder und machte sich wieder an die Arbeit.
    LAUT VORSCHRIFT des Staatsgefängnisses Florida konnten Gefangene, die auf ihre Hinrichtung warteten, nicht zum engeren Familienkreis gehörende Besucher nur mit Genehmigung ihrer Anwälte empfangen.
    Um noch einmal mit Hillary Van Wetter reden zu können, mussten wir daher wieder zu Weldon Pine, der weit weniger entgegenkommend war, seit er wusste, dass die
Miami Times
sich nicht für seine Karriere, sondern nur für den Prozess und die Verurteilung des berühmtesten Klienten interessierte, den er je hatte.
    Er ließ uns eine Stunde vor seinem Büro warten, dann öffnete er die Tür, blickte uns an, ging wieder hinein und erwartete, dass wir ihm folgten.
    Er setzte sich an den Tisch und schaute auf seine Armbanduhr. Sein Handgelenk war so dick wie ein Bein. »Einem solchen Mann Hoffnung zu machen …«, sagte er. »Darin kann ich keine gute Absicht erkennen.« Abrupt wandte er sich an Charlotte: »Meine junge Dame, Sie sind doch eine attraktive Frau, haben das ganze Leben noch vor sich …«
    Er hielt inne, und mein Bruder sagte: »Wir müssen noch einmal mit ihm reden.«
    »Warum?«
    »Er hat zu Protokoll gegeben, er hätte mit seinem Onkel gearbeitet.«
    Weldon Pine lachte laut. »Woran will er denn an dem Abend gearbeitet haben, Mr. Reporter?« fragte er. »Meinen Sie, ich hätte ihn das nicht selbst gefragt? Wollen Sie wissen, was er geantwortet hat?« Der alte Anwalt schüttelte den Kopf. »Wenn Sie den weiten Weg gekommen sind, weil Sie herausfinden wollen, woran Hillary und sein Onkel gearbeitet haben, vergeuden Sie meine Zeit

Weitere Kostenlose Bücher