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Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Titel: Paperweight: Literarische Snacks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Aussicht, daß ein Computer Kasparow eines Tages schlagen wird (Karpow wurde bereits von einer Maschine besiegt), dann wird menschliches Schach sich analog dem Drama weiterentwickeln müssen. Mit Stanislawskij, Gorki, Gogol und Tschechow gehören die Russen zu den wichtigsten Theaternationen der Moderne; das britische Drama bedarf keiner solchen Namenslisten, um sein berühmtes Erbe unter Beweis zu stellen.
    Die Entwicklung des modernen Schachspiels reflektiert aufs engste die Entwicklung dramatischer Stile; um die Jahrhundertwende wurden die alten klassischen und romantischen Merkmale schnell durch Steinitz’ modernen Stil ersetzt, eine dialektische, realistische Spielweise, die man durchaus mit dem dramatischen Stil eines Shaw oder Tschechow vergleichen darf. Nicht mehr der König zählte, sondern die Bauern und bürgerlichen Nebenfiguren, die das Zentrum kontrollieren. Die Hypermoderne, die diese Epoche ablöste, war von abstrakter, fast absurder Qualität in ihrer Weigerung, sich mit diesen zentralen Fragen zu beschäftigen, und konzentrierte sich lieber auf die Spannungen jenseits der Kontrolle des Zentrums, mehr auf die Sprache des Schachs als auf seine Praxis. Das erinnert einen an das Zeitalter von N. F. Simpson, Stoppard, Beckett, Pinter und Ionesco.
    Heute, im postmodernen und posthypermodernen Schachzeitalter, sind die Dinge insgesamt vielschichtiger und manierierter geworden, »multimedialer«. Das gilt auch fürs Drama, unsere Zeit hat noch keinen eindeutigen Stil und keine Stimme.
    Wenn wir im Schach echte Überlegenheit erreichen wollen, müssen wir jene Eigenschaften betonen, die unserem Drama seine größte Stärke verliehen haben: das Exzentrische, das Bizarre, das Komische, das Manierierte und das Elegante; dieselben Eigenschaften, die wir mit, sagen wir, Stoppard oder Olivier verbinden. Niemals sollten wir uns auf das Konventionelle, das Orthodoxe, das Schwunglose und das Zaghafte einlassen. Wir brauchen Schachäquivalente zu Alastair Sim, Ralph Richardson, Maggie Smith, Noël Coward, Arthur Lowe und Alan Bennett: absolute technische Meisterschaft, wohlwollend verhüllt.
    Schach ist wirklich wie das Leben, denn auf allen Ebenen unserer nationalen Existenz brauchen wir Menschen mit genau diesen Eigenschaften. Wenn die Briten irgend etwas zur Welt beizusteuern haben, das Pattsituationen von grauer Monotonie zurückschlagen könnte, dann ist das ein quicklebendiges, charmantes, unorthodoxes und theatralisches Flair.

Von Mutter Sprache gestillt
     
    Wußten Sie, daß die Wendung
to buttonhole
(»sich jemanden vorknöpfen«) tatsächlich von
buttonhold
(»Knopfloch«) stammt? Wahrscheinlich. Ich habe diese Erkenntnis erst kürzlich gewonnen, als ich Bill Brysons
Mother Tongue: The English Language
las, das auch die so erstaunliche Information enthält, daß Shakespeare nahezu zweitausend Worte erfunden hat, darunter »obscene«, »barefaced«, »critical«, »leapfrog«, »countless«, »excellent«, »gust«, »hint«, »hurry«, »lonely« und »dwindle«. Ben Jonson haben wir augenscheinlich »damp«, »clumsy« und »strenuous« zu verdanken, während Thomas Morus uns mit »absurdity«, »acceptance«, »exact«, »explain« und»exaggerate« beschenkte und Carlyle »decadent« und »environment« beisteuerte.
    Sich auf seine vier Buchstaben zu setzen und ein Wort zu erfinden, ist eine Sache, die Welt dahin zu bringen, es zu akzeptieren, eine ganz andere. Mein Freund Hugh Laurie hat mal ein Wort erfunden, das ich seitdem unangefochten benutzt habe. Sie kennen doch bestimmt diese komischen weichen und – es läßt sich nicht bestreiten – phallischen Objekte, die über Mikrophone gestülpt werden? Ihre offizielle Bezeichnung lautet »Plopschutz«; sie sollen das Mikrophon davon abhalten, bei starken Plosiven zu »ploppen«. Wenn Sie ganz nah an einem Mikrophon, das bar eines solchen Artikels ist, den Satz »Peter Piper pickte pfeifend … etc.« aufsagen, werden Sie ja sehen, wozu die gut sind. Hugh Laurie saß mal in einem Aufnahmestudio und sagte zum Tontechniker: »Da sind ziemlich viele Ps und Bs drin, sollen wir nicht lieber einen Pämpfer drübertun?« Ohne auch nur die Miene zu verziehen, eilte der Techniker mit einem Plopschutz herbei und befestigte ihn am Mikro. Ein Wort ward geboren; unbestritten, gleichwohl irgendwie verstanden. Seitdem benutze ich »Pämpfer« regelmäßig, und niemand hat seine Bedeutung je in Frage gestellt.
    »Pämpfer« hat freilich onomatopoetische

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