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Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Titel: Paperweight: Literarische Snacks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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als ihre Regierung. Der Gebrauch der freien Meinungsäußerung wurde als Mißbrauch angesehen: Wenn Meinungsfreiheit abernoch irgend etwas bedeuten soll, dann muß sie doch wohl bedingungslos gelten.
    »Wir stimmen alle darin überein, daß das Individuum dem Staat untergeordnet sein muß, wenn die Revolution Erfolg haben soll«, lautete die stalinistische Logik. »Daher muß alles, was für den Staat gut ist, richtig sein. Daher muß jeder, der den Staat anzweifelt, sich irren. Daher mußt du erschossen werden.« Es war eine entsetzliche Logik, und es wäre wahrhaftig eine Schande, wenn eine vergleichbare hier Fuß fassen würde, auch wenn sie natürlich viel fideler und britischer und weit weniger drakonisch wäre.
    »Wir stimmen alle darin überein, daß Britannien wunderbar ist, es verfügt über Dinge wie Meinungsfreiheit und Schwurgerichte. Jedermann, der sich darüber zu beschweren anfängt, daß Regierungen Fehler machen oder gelegentlich Schwierigkeiten mit der Wahrheit haben, untergräbt den guten Ruf Britanniens. Regierungen werden demokratisch gewählt, daher kritisieren all jene, die die Regierung kritisieren, das Volk. Sie verhalten sich undemokratisch, aufrührerisch und subversiv. Daher sollten sie berappen oder die Klappe halten.«
    Wenn Sie einen Menschen lieben, einen Sohn oder eine Tochter, sagen wir, dann sind Sie nicht blind für seine oder ihre Fehler, Sie verschließen Ihre Ohren nicht der Kritik, die sie in Form von Schulzeugnissen, sich beschwerenden Nachbarn oder eigenem Miterleben erreicht; Sie schämen und ärgern sich und werden alles tun, um diese Fehler zu korrigieren. Sie möchten, daß man Ihr Kind für netter und besser hält. So sei es auch mit dem eigenen Land. Ein Patriotismus, der für Fehler blind und für Kritik taub ist, ist überhaupt kein Patriotismus.
    Wir können auf unsere Demonstranten stolz sein. Wir sind nicht verpflichtet, ihre Ansichten zu teilen, aber es ist Ehrensache, sie mit besseren Argumenten zu konfrontieren,als sie dazu aufzufordern, auf ihr Recht auf freie Meinungsäußerung bloß deshalb zu verzichten, weil sie stolz darauf sein sollten, es zu haben. Unsere Truppen, auf die wir ebenfalls stolz sein können, beteiligen sich nicht an einer Dschihad für die Lebensweise westlicher Demokratien; sie ziehen nicht mit dem Schlachtruf »Freiheit!« auf den Lippen in den Kampf; sie setzen ihr Leben nicht nur für gute, gehorsame Briten aufs Spiel. Sie haben nicht den Wunsch, Gesabbel zu lesen über »unsere heroischen Kräfte, die glorreich durch die Verteidigungslinien des teuflischen Feindes brechen«. Nach ihrer Rückkehr werden sie genauso viele Geschichten über wahnwitzige Inkompetenz und schnaufende Majore erzählen, die im Sand festgefahrene Zweitonner mit Nachschub freikriegen wollen, wie über Heldenmut und Aufopferung. Ich kann mir nicht vorstellen, daß der Gedanke ihre Moral hebt, wir in der Heimat hätten uns in den trüben Dunst von Zensur und einfältiger Propaganda hinabbegeben, um damit unsere Unterstützung zu demonstrieren.
    Als in Kiplings
Stalky & Co
ein bedeutender General zu einer Ansprache in die Schule kommt, fängt er an, über die Flagge rumzutönen, den guten alten Union Jack, wie wir ihn lieben, und all das, wofür er steht. Empört fangen Stalky und seine Freunde an ihn auszuzischen. Das ist Patriotismus.

Hoppala …
     
    Zunächst muß ich mich entschuldigen. Ich komme mir so dumm vor. Letzte Woche habe ich eine Anspielung auf Stalky & Co gemacht und dabei einen General mit einem Abgeordneten verwechselt. Ich bin voll des Dankes für die Briefe – das Sperrfeuer patriotischer Geschosse, zum Teilfreundlich, zum Teil bloß scheußlich –, die meinen katastrophalen Fehler berichtigten. Die einzige Entschuldigung, die ich vorzubringen habe, ist, daß ich den anstoßerregenden Artikel in Frankreich geschrieben habe, wo ich keinen Zugang zu Kiplings Werken hatte. Lady Gedächtnis, muß ich leider sagen, gab mir einen Korb. Das wörtliche Zitat, darauf wies mich ein mitfühlender Briefschreiber hin, hätte meiner Behauptung noch größeres Gewicht verliehen als meine schlechte Erinnerung daran. Die weniger mitfühlenden Korrespondenten, fürchte ich, werden nichts Geringeres als meinen Selbstmord akzeptieren, den anzubieten ich im Augenblick nicht gewillt bin.
    Ich werde wohl nie aufhören, mich über die Art von Post zu wundern, die man von Lesern und Fernsehzuschauern empfangen kann. Ich nehme an, erfahrenere Journalisten als ich

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