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Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Titel: Paperweight: Literarische Snacks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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setzen und die Weltgeschichte verändern würde. »Sollen wir kurz winken?« fragte Doro. »Er wird zu tun haben«, sagten wir. Und wirklich stellte sich heraus, daß genau in diesem Augenblick der Angriffsbefehl zu seiner Unterzeichnung vorbereitet wurde. Wir winkten trotzdem und gingen weiter.
    Beim Nachhauseflug lud der Pilot der Concorde,Captain Riley, Hugh und mich ins Cockpit ein, um beim Start und bei der Landung dabeizusein.
    Ist doch schön, wenn man Freunde ganz oben hat.

Die Sünde des Rades
     
    Wenn Sie den eindeutigsten Beweis der Welt haben wollen, daß es so etwas wie Hellseher nicht gibt, dann brauchen Sie bloß mal ins Spielkasino zu gehen. Das sind Tempel, die der absoluten Gewißheit der Ungewißheit errichtet wurden. Auf jede Person, die behauptet, sie habe mal eine Vision der Zahl Zwölf gehabt, sei zum Roulettetisch gegangen, habe ihr gesamtes Hab und Gut auf die Zwölf gesetzt und sei mit einem Vermögen in den Taschen wieder abgezogen, kommen sechsunddreißig andere, die dieselbe Vision hatten, dasselbe Hab und Gut setzten und völlig pleite davonstolperten.
    Kasinos leben von ihrem sogenannten Vigorish. Beim Roulette gibt es sechsunddreißig Zahlen. Wenn man einen einzigen Chip
en plein
, wie das dort heißt, auf eine der Zahlen setzt und diese gewinnt, dann erhält man dafür vom Kasino sechsunddreißig Chips steuerfrei – ehrliche Chancen von fünfunddreißig zu eins, denken Sie vielleicht. Aber nein, in Wirklichkeit sind siebenunddreißig Zahlen auf dem Rad: es gibt eine Null. Das Haus müßte ergo auf ein gewonnenes
en plein
das Siebenunddreißigfache auszahlen. Diese Differenz eines Siebenunddreißigstels ist der Vigorish. Dieser winzige Prozentsatz bezahlt die Croupiers, die Möbel und Requisiten, die Überwachungskameras und das ganze Drumherum eines gut ausgestatteten Kasinos und läßt noch genug Profit übrig, um Regierungsmitglieder zu bestechen, Bandenkriege zu führen und den Druckauf Rivalen und Autoritäten auszuüben, den ein eifriger Konzessionär braucht, um sein Haus der Spiele vor Störungen zu bewahren.
    Kasinos mogeln nicht. Unter dem Rad sind keine Magneten, sie arbeiten nicht mit falschen Würfeln oder gezinkten Karten. Die Mathematik macht die ganze Arbeit. Ich mußte leider feststellen, daß es im amerikanischen Roulette nicht nur eine Null, sondern sogar eine Doppelnull gibt. Also verdoppeln sie ihren Vigorish sogar. Wie wir aus unzähligen Hollywood-Dialogen wissen, haben die Amerikaner gern »noch etwas in der Hinterhand«.
    Ich erzähle Ihnen diesen ganzen Quatsch, weil ich gerade in Südfrankreich bin und in den zahlreichen Kasinos, die mir nur allzu gern die Gelegenheit geben, die Unabänderlichkeit der Gesetze des Wahrscheinlichkeitsrechnens unter Beweis zu stellen, kaum ein Würfelspiel an mir vorbeirollen lasse. Nach Gesprächen mit mehreren Croupiers wundere ich mich immer mehr über die erstaunliche Frechheit amerikanischer Kasinos mit ihren Doppelnullen.
    Noch bevor im Golfkrieg vor über einem Monat der erste Feindflug stattfand, wurden im Fernsehen eine ganze Reihe von Straßeninterviews mit amerikanischen Bürgern gezeigt. Fast alle waren dafür, mit Gewalt gegen Saddam vorzugehen. Einer ihrer Gründe war, daß sie es »satt hatten, wie Amerika herumgeschubst wird«. Jedem Nichtamerikaner erscheint eine solche Vorstellung absolut unglaublich.
Amerikaner
werden herumgeschubst? Fragen Sie Angehörige eines beliebigen anderen Landes, ob die mächtigste Nation auf Erden ihrer Meinung nach wie der Prügelknabe auf der Weltbühne schikaniert und drangsaliert worden ist, und Sie werden das zu hören bekommen, was man ein »wieherndes Gelächter« nennt.
    Wir selbst haben das ja schon hinter uns. Vom ersten Afghanistankrieg bis zur einseitigen UnabhängigkeitserklärungSüdrhodesiens fühlten sich die Briten von kleineren Ländern mißbraucht. Sie müssen bloß die Pressekommentare aus den Zeiten des Burenkrieges oder des Indienaufstands nachlesen. Das Schicksal einer Großmacht ist es nun einmal, Paranoia zu verspüren, sich wie Gulliver vorzukommen, der von piepsenden Liliputanerhorden mit Haar und Fingern an den Boden gepflockt wird. Damit will ich keineswegs irgend etwas über die Legitimation des Krieges gegen den Irak oder eines anderen Krieges gesagt haben, sondern lediglich versuchen, den amerikanischen Standpunkt nachzuvollziehen. Dort sieht man es so, daß ihre Macht und das Gefühl moralischer Verantwortlichkeit ihnen das Recht und die Pflicht

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