Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)
haben, daß alle, die behaupten, prophezeien oder hellsehen zu können, bewußte Scharlatane und Betrüger sind, obwohl viele es sind (Randi hat beispielsweise demonstriert, wie man einen Löffel verbiegen kann, obwohl man scheinbar nur ganz sachte darüberstreicht). Meiner Meinung nach verlassen sich Zauberkünstler und Paranormale gleichermaßen darauf, daß die menschliche Natur die Arbeit für sie erledigt. Ich habe oft gehört, wie jemand ein Zauberkunststück folgendermaßen beschrieben hat: »Er gab mir einen versiegelten Umschlag, ließ mich ein Kartenspiel mischen, eine Karte wählen, sie mir einprägen und wieder unter das Blatt mischen. Ich öffnete den Umschlag, und der enthielt die von mir gewählte Karte, die im Spiel nicht mehr zu finden war.« Ein Kartentrick funktioniert so gut wie nie so, aber so erinnert sich das Publikum daran. Vergessen wird, daß der Zauberer den versiegelten Umschlag in Wirklichkeit etwa unter ein Buch gelegt hat; daß
er
das Blatt ebenfalls vor und nach der Kartenwahl gemischt hat, daß
er
dann dem Betreffenden den Umschlag zum Öffnen gab, nachdem die Karte ausgewählt und angeschaut worden war. Diese wichtigen Einzelheiten vergißt man, nur an den Effekt erinnert man sich. Zauberkünstler zählen hundertprozentig auf diese Selektivität des menschlichen Gedächtnisses, auf unsere Vorliebe, uns nur das Wunder selbst wieder vor Augen zu führen, nicht das ganze Drum und Dran.
Analog dazu habe ich Tarotkarten- und Handleser ungefähr folgende Richtung einschlagen sehen: »Ich sehe hier Anzeichen eines Hobbys, ich glaube, Sie sammeln etwas … leidenschaftlich? Etwas Schönes, Porzellan … Münzen … Möbel … antiquarische Bücher … etwas … Gemälde, Zeichnungen … Kunstdrucke, ach ja? … genau, Drucke.« Der Betreffende sülzt danach jedem, der den Fehler macht zuzuhören, begeistert die Ohren voll, wie dieser außerordentlich begabte Handleser aus heiterem Himmel mit der Information herausrückte, daß er Kunstdrucke sammle, und übersieht die sechs Blindgänger, die der richtigen Antwort vorausgingen.
Es gibt zahlreiche Bücher zum Thema »Mentalismus«, jenem Teil der Magie, der sich mit vorgeblichem Gedankenlesen beschäftigt. Alle beginnen sie mit dem Hinweis darauf, daß diese Fähigkeiten auf Menschenkenntnis beruhen und auf dem Vermögen, soziale Schichtzugehörigkeit und Charaktertypen schnell und einfach erfassen zu können. Sie können das selbst bei einer Party ausprobieren. Wenn Sie jemanden kennenlernen, können Sie ziemlich schnell beurteilen, ob er zu dem Menschenschlag gehört, der Dinge sammelt, skiläuft, angelt oder jagt, ob er Sportfan ist oder schmale Lyrikbände liest. Natürlich werden Sie sich gelegentlich irren, aber neun von zehn Malen kann man mit einiger Genauigkeit grundlegende Charakteristika und wahrscheinliche Freizeitaktivitäten festlegen. Wenn Sie dann noch die Frechheit besitzen und behaupten, Erfahrung in mystischer Kunstfertigkeit zu haben, und die Atmosphäre erzeugen können, in der ein Fremder Ihnen zuhört, werden Sie ihn verblüffen können. Das klappt natürlich nicht, wenn Sie Ihre »Lektüre« einfach so vorbringen; die Leute wollen glauben, daß hinter Ihren erstaunlichen Gaben ein System steckt. Nehmen Sie ihre Hand, verlangen Sie eine Schriftprobe, fragen Sie nach ihremGeburtsdatum, fallen Sie in Trance, alles, was Ihnen die Pseudo-Autorität einer Tradition verleiht. Niemand will einsehen, daß sein Charakter oder Wesen sich seiner Kleidung, seinem Dialekt, seinen sprachlichen Manierismen oder seinem Gang ablesen läßt, das wirkt dreist und anmaßend; hingegen lieben die Menschen die Vorstellung, daß dieselben Wahrheiten ihrer Handfläche oder der Weise, wie sie den Querstrich am »t« anbringen, abzulesen sind.
In Amerika gibt es 2000 professionelle Astronomen und 20 000 professionelle Astrologen; in Britannien laufen ehemalige Sportreporter in Türkis herum und faseln was vom Mitschwingen in Strömen luziferischer Energie.
Aberglaube ist nicht einfach ein harmloser Spaß. In Wirklichkeit hat man Pech, wenn man abergläubisch ist, einfach weil man in dieser Welt Pech hat, wenn man ein Narr ist.
Die Jungs vom Lande
»Ich glaube an Amerika«. Die ersten Worte jenes unübertroffenen Meisterwerks des modernen Kinos,
Der Pate
, mögen mir als Anfangsworte dieses Artikels dienen. Auch ich glaube an Amerika; an die kitschigen Formulierungen seiner Verfassung, seine institutionalisierte Sentimentalität, seine
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