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Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Titel: Paperweight: Literarische Snacks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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pro Wort im Vergleich mit einer Lebensversicherungspolice ganz gut ab. Mit 23,6 Wörtern pro Satz liege ich mit Lincolns Ansprache in Gettysburg mit ihren 23,4 gleichauf, aber weit abgeschlagen im Mittelfeld, wenn ich mich mit Hemingways sparsamen 13,5 vergleiche. Anscheinenddarf ich mich glücklich schätzen, daß 12,7 Prozent all meiner Wörter Präpositionen sind, muß aber noch an meinem übermäßigen Gebrauch des Passivs arbeiten.
    Dem Leitartikel im ›Telegraph‹ vom Montag erging es kaum besser. Ein plausibel argumentierender Text über Mr Hurds Staatsbesuch in Hongkong wurde für den zu häufigen Gebrauch des Wortes »inakzeptabel« gerügt. Das offenbart beklagenswerte Unkenntnis des charakteristischen Stils eines ›Telegraph‹-Leitartikels. Ich jedenfalls bete inständig, der Tag möge niemals anbrechen, an dem ein ›Telegraph‹-Leitartikel das Wort »inakzeptabel« weniger als viermal benutzt.
    Auch die Absatzlängen des Leitartikelschreibers fielen durch. »Vielen Lesern werden die Absätze zu lang sein, und sie werden ihnen nicht mehr folgen können. Versuchen Sie, Ihre Gedanken in kürzere logische Einheiten zu gliedern«, lautete der Rat des Programms.
    Eine Flesch-Kincaid-Stufe 14 bedeutet, daß der Stil »für die meisten Leser schwierig ist« und ein High-School-Niveau »oberhalb der 11. Stufe« darstellt.
    Da ich eine schöne Stange Geld für dieses Programm hingelegt habe, würde ich es nur ungern als nutzloses und unverschämtes Stück Müll bezeichnen, sondern werde mich vorläufig mit ihm zu messen versuchen.
    Im Lauf der Zeit könnte etwas geschehen. Mein Stil könnte sich ändern. Er könnte Sie an Hemingway erinnern. Das war ein großer Schriftsteller. Er schrieb kurze Sätze. Sein Stil war gut. Er wußte, er war gut. Er wußte, er war gut, denn sein Gunnings-Fog-Lesbarkeitsindex war hoch. Er benutzte nie das Passiv. Er fand Adjektive weibisch. Er sagte nie »aus diesem Grunde«. Er sagte lieber »weil«. Er sagte lieber »bekommen« als »erreichen«.
    Er bekam einen prima Ruf. Er war hart. Er hatte einen Vollbart. Er trank. Er angelte Schwertfische und Meeräschen.Er schoß. Er erschoß sich selbst. Vielleicht erschoß er sich, weil er dachte, sein Leben sei zu lang, wie ein schlechter Satz.
    Vielleicht dachte er, sein Leben sei zu passiv.
    Wer weiß.

Karrieren, wohin man auch schaut
     
    Marinetti ist wahrscheinlich der einzige Künstler, der meine Schulzeit mit einigem Erfolg hätte malen können. Da er diese ganzen laufenden Maschinen abbilden mußte, wäre er eindeutig der Meister für die Wiedergabe bewegter Geschichten gewesen, und kaum eine Geschichte hienieden kann bewegter sein als die meiner Schulzeit.
    Eine der wenigen Schulen, an denen ich lange genug bleiben durfte, um meine Koffer auszupacken, rühmte sich neben dem üblichen Lehrkörper noch eines Berufsberaters. Soweit ich es beurteilen kann, bestand der Job dieses Mannes darin, jeden Schüler ein Formular ausfüllen zu lassen und ihm auf der Grundlage seiner Antworten dann zu sagen, für welchen Job er im späteren Leben wie geschaffen sei. Wie jede Sinecure dieser Art war der Posten des Berufsberaters ausschließlich pensionierten Marineoffizieren vorbehalten. Admiräle bekamen den Job des Quästors, Fregattenkapitäne spitzten natürlich auf den Job des Berufsberaters.
    Zu dessen Aufgaben gehörte es, ein mit Hochglanzbroschüren und Prospekten vollgestopftes Büro zu unterhalten, damit jene, die herausfinden wollten, wie das Leben bei Proctor & Gamble oder Penguin Books aussieht, alles über diese unvergleichlichen Institutionen nachlesen konnten. Das Büro, das neun Zehntel der Zeit leerstand und miteinem kinderleicht zu knackenden Schloß gesichert war, wurde mein Schlupfloch, um den Aufmerksamkeiten der Autoritäten zu entgehen oder ungestört eine Zigarette schmauchen zu können.
    Während meiner Stubenhockerei in diesem Refugium las ich immer die Akten über die älteren Schüler, die ihre Karrierebögen schon ausgefüllt hatten. Schnell wurde mir klar, daß der Job des Berufsberaters zu den ältesten Schlichen gehörte, wie man schnell zu Geld kommt. Unter die Frage »Welches Berufsbild schwebt Ihnen vor?« schrieb man etwa »Arzt«. Nach noch ein paar Fragen zur »Arbeit mit Menschen«, den Fächern, die man belegt hatte, und den Zensuren schrieb der Berufsberater dann unten auf die Seite: »Sollte Arzt werden.« Wenn der Bewerber bei der ersten Frage mit »Weiß noch nicht« geantwortet hatte, kritzelte

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