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Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Titel: Paperweight: Literarische Snacks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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der Berater statt dessen »Buchhalter?«.
    Nach meinen O-Levels war ich an der Reihe, das Formular auszufüllen. Unter die erste Frage: »Welches Berufsbild schwebt Ihnen vor?«, schrieb ich natürlich »Berufsberater in der Schule«. Als ich das nächste Mal sein Büro aufsuchte, um mir in Ruhe eine Embassy Filter zu gönnen, und meine eigene Akte herauszog, entdeckte ich, daß der Berufsberater neben diese Antwort geschrieben hatte: »Komiker, was?«
    Deswegen bilde ich mir gern ein, daß ich weltweit zu den ganz wenigen Menschen gehöre, die den Rat ihres Berufsberaters beherzigt haben.
    Ich finde seit langem, das beste an meiner Lebensweise ist, daß ich es mir leisten kann, eine Art Bohème-Ideal auszuleben. Ich finde, es hat keinen Sinn, für sein Einkommen zu schreiben und zu schauspielern, wenn man nicht bereit ist, im Bett zu rauchen, spät aufzustehen, Klamotten zu tragen, die bequem bis an die Grenze der Verludertheit sind, und in puncto Moral und Sprache lockere Sitten zu pflegen.Hin und wieder fällt es schwer, diese Ideale zu erfüllen, aber was will man machen, sie gehören nun einmal dazu. Ich bin deswegen immer sehr überrascht, wenn ich Kollegen treffe, die zu Gesellschaften mit beschränkter Haftung geworden und dazu übergegangen sind, eigene Fernsehshows zu produzieren und Büros zu leiten, die voller Sekretärinnen, Photokopierer und Espressomaschinen stecken. Das Wort, nach dem ich suche, lautet wahrscheinlich Verantwortung. In dem Augenblick, wo man anfängt, truppweise Mitarbeiter und Telephonistinnen einzustellen, wird man für andere verantwortlich. Ich lasse mich in meiner Bewunderung für Manager und die Funktionärsklasse im allgemeinen von niemandem übertreffen, aber irgendein Charakterfehler hat mich stets davor zurückschrecken lassen, zu heuern, zu feuern und Anordnungen zu geben.
    Politiker haben in einer parlamentarischen Demokratie natürlich per definitionem eine ganze Menge Verantwortung. Sie dürfen in Sachen Moral und Sprache keine lockeren Sitten pflegen; sie dürfen nicht bis fünf Uhr nachmittags im Schlafanzug herumlaufen, und soweit ich weiß, ist der Fraktionszwang besonders streng, wenn es um das Rauchen im Bett geht.
    In einem Anfall geistiger Umnachtung stimmte ich letzte Woche zu, mit Politikern zusammen bei der BBC in
Question Time
aufzutreten. Als der gewissermaßen »Blockfreie« der Sendung konnte ich mich nicht entscheiden, ob es leichter ist, als Unabhängiger eine Frage zu beantworten oder wenn einem die strengen Richtlinien der Parteidisziplin einen eindeutigen Kurs vorgeben. Alle waren total nett und leutselig und keine Spur aufgeblasen, solange wir nicht auf Sendung waren. Einmal jedoch wurde dem Publikum vorgeworfen, parteiisch zu sein. Mir fiel ein in dieser Zeitung veröffentlichter Leserbrief auf, der jener Meinung beipflichtete.
    Die BBC ist immer sehr bestürzt, wenn sie sich mit derlei Vorwürfen konfrontiert sieht. Jeder Bewerber für das Studiopublikum muß ein Formular mit detaillierten Fragen zu Wahlverhalten, Beruf, Haarlänge und allen möglichen, auf den ersten Blick unwichtigen Faktoren ausfüllen. Und dann wird ein Publikum ausgewählt, das einen haargenauen Querschnitt durch die britische Gesellschaft abgeben soll. Ich habe unerschütterliches Vertrauen in dieses System. Ich glaube an das Ausfüllen von Formularen.
    Schließlich ist es keineswegs ausgeschlossen, daß diese Fragebögen von denselben Leuten entworfen wurden, die auch für die Karriereformulare an meiner alten Schule verantwortlich waren.

Toleranz gegenüber Krankheiten
     
    Vor zehn Jahren (im Mai 1981) erschien auf Seite zwanzig der ›New York Times‹ ein Artikel. Er berichtete vom Ausbruch einer seltenen Krebsart, dem Kaposi-Sarkom, bei 41 bis dahin kerngesunden Männern im Alter von 26 bis 51 Jahren. Ein Dr Alvin E. Friedman-Kien vom New York University Medical Centre sagte, er habe neun dieser Männer untersucht und »schwerwiegende Defekte in ihrem Immunsystem festgestellt«.
    Ein Jahr darauf hatte jeder von Aids gehört, einer Krankheit, die durch Infektion des Bluts mit dem Retrovirus HIV übertragen wird. Hierzulande wurde ebenso wie in Amerika deutlich, daß die überwältigende Mehrheit der an ihr Erkrankten in drei Kategorien fiel: homosexuelle Männer, Konsumenten zu injizierender Drogen und Bluter.
    Eine Zeitlang zog die Seuche die hysterische Aufmerksamkeit der Medien auf sich, vor allem der Boulevardpresse,für die die Berichterstattung über den

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