Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)
wenigstens ein oder zwei Tage im Jahr einen Platz an der Sonne gewähren.
Ein Unterzeichnen der Zeit
Schauen Sie sich bloß die Buchbranche an. Zufälligerweise habe ich ohne Rücksicht auf die Protestschreie der breiten Öffentlichkeit gerade einen Roman herausplumpsenlassen. Natürlich bin ich mir völlig im klaren darüber, daß es ganz grauenhaft ungehörig wäre, würde ich den mir hier anvertrauten Raum als eine Art Forum nutzen, um diesen fürchterlichen Erguß feilzubieten. Lassen Sie mich daher so klar und deutlich sagen, wie ich kann, daß mein Buch scheußlicher Unsinn ist, Mumpitz, wie man in alten Filmen zu sagen pflegte; Sie sollten nicht einmal im Traum die Idee in Erwägung ziehen, sich den Gedanken durch den Kopf gehen zu lassen, den Plan zu entwickeln, sich womöglich dem Ansinnen zu nähern, daß die vage Möglichkeit bestünde, die Spur eines Fünkchens eines Teilchens einer Andeutung eines Jotas eines Hauchs eines Anflugs eines Zählers eines Bruchteils Ihres Vermögens für so unsägliche Schweineschlempe zu vergeuden.
Verlegt zu werden ist gleichwohl eine ganz bemerkenswerte Erfahrung. Wenn ein Vorabexemplar bei einem auf dem Küchentisch landet, komplett mit Umschlag, ist das genauso aufregend, wie Sie vielleicht annehmen. »Junge, Junge«, denken Sie sich. »Da ist es. Ich meine, es ist wirklich
da
. Ausgestattet mit ISBN-Nummer, Urheberschutzklausel, Katalognummer der Library of Congress und allem Drum und Dran.«
Sie stellen es auf den Kaminsims und treten ein paar Schritte zurück, um es in der Totale wahrzunehmen. Sie legen es hin und gehen in die Knie, um es auf gleicher Höhe anzuspähen; Sie werfen es
en passant
aufs Sofa; Sie stellen es zwischen
Ulysses
und le Carrés
Krieg im Spiegel
ins Bücherregal; Sie blinzeln ihm durch halb zugekniffene Augen zu; Sie schnuppern und lecken daran, knuffen, streicheln und piksen es; Sie reden es schüchtern an; Sie schlagen es auf und gewähren seiner Titelseite den ehrfürchtigen Kuß eines Rabbiners; Sie bieten ihm einen Keks und ein Glas Sherry an; Sie fahren mit ihm spazieren; Sie balancieren es auf dem Kopf, stecken es unter den Arm und stopfen es indie Tasche; kurz, Sie machen alles mögliche, hüten sich aber, auch nur eine einzige Zeile zu lesen.
Nach der Veröffentlichung fangen dann die heimlichen Besuche in den Buchläden an, um zu sehen, ob sich irgendwer blicken läßt, der es tatsächlich kauft. Ich habe da gewisse Probleme, da mein Gesicht weit hurenhafter zu Markte getragen worden ist als das echter, respektabler Autoren. Wenn der Buchhändler einen erkennt, könnte er als erstes argwöhnen, man wolle sich über die miserable Präsentation beschweren – das machen Schriftsteller ja ständig –, oder er bedrängt einen, seinen Bestand zu signieren. Trägt man jedoch eine Kopfbedeckung, eine dunkle Sonnenbrille und einen falschen Schnurrbart, was man sich alles von einem befreundeten Maskenbildner geliehen hat, dann kann man stundenlang an einem Picador-Drehständer herumlungern und die Gewohnheiten der bücherkaufenden Öffentlichkeit observieren. Ich hätte noch die Alternative, aufs genaueste die Kleidung zu kopieren, in der ich für die peinlich riesigen Pappkameraden photographiert worden bin, die man gegenwärtig in so vielen Buchläden findet, mich stocksteif neben einen der Behälter mit Programmen zu stellen und so zu tun, als wäre ich aus Pappe. Aber ich glaube, diese Strategie klappt nur in Abbott-und-Costello-Filmen.
Die Entscheidung, wem ich die Frucht meiner Romancierslenden widmen sollte, fiel mir so schwer, daß ich mich am Ende dafür entschieden habe, auf die erste Seite »Für …………………………………
(Vor- und Zunamen bitte einsetzen) «
drucken zu lassen, so daß es jedem Leser gewidmet ist. Das hatte den unerwarteten Vorteil, daß Signierstunden viel einfacher geworden sind, als es sonst vielleicht der Fall gewesen wäre.
Signierstunden sind ein potentielles Minenfeld der Beschämung. Höfliche, anständige Menschen stehen Schlangevor einem Tisch, Sie sitzen mit gezückter Feder dahinter und sind bereit, auf Befehl draufloszudedizieren. Manche Kunden, wahrscheinlich Sammler, haben feste Vorstellungen von dem, was geschrieben werden muß: »›Mit besten Wünschen‹ und dann bitte Ihren Namen«, fordern sie. »Sonst nichts.«
»Mit besten Wünschen« ist aber irgendwie nicht ganz meine Art. Das riecht nach der Weihnachtskarte eines Kohlenhändlers, der sich bei Ihnen für Ihre
Weitere Kostenlose Bücher