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Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Titel: Paperweight: Literarische Snacks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Sein Ruhm, vermute ich, verdankte sich mehr seiner Langlebigkeit als irgend etwas anderem, denn er schrieb für ein Londoner Abendblatt, und für diejenigen unter Ihnen, die außerhalb unserer Hauptstadt leben, bleibt die Karriere eines Lokaljournalisten gleichermaßen unbekannt wie uninteressant.
    Woher der Jubel? Sie befürchten vielleicht, ich sei drauf und dran, den Raum meiner Kolumne als Schleifstein zum Wetzen völlig privater Messer zu nutzen, aber ich versichere Ihnen, daß ich, soweit ich weiß, keinen persönlichen Grund zum Groll gegen diese drollige Figur habe, die ungefähr so sehr ein »Mann des Theaters« ist, wie Attila ein Föderalist war, was er mit dem Rest seines furchtbaren Berufsstandes gemein hat.
    Trotzdem stehen persönliche Gefühle auf dem Spiel. Als Kind habe ich im Fernsehen einen Film mit Alastair Sim namens
Der grüne Mann
gesehen. Wie fast alle Filme dieses unvergleichlichen Genies enthält er Augenblicke so absoluter Freude, wie uns in diesem irdischen Jammertal nur zuteil werden können. In einer Szene versucht er, ein weibliches Trio aus einem Palmensaal zu scheuchen, weil er den Raum eben räumen muß, und diese Szene gehört zum Witzigsten, was je auf Zelluloid gebannt worden ist. Als ich sie sah, hab’ ich mich gekrümmt vor Lachen, aber mehr noch wollte ich seither etwas,
irgend etwas
mit dieser Welt zu tun haben, die so ein Vergnügen bereiten kann. Vor einiger Zeit wurde der Film wiederholt. In der Spielfilmvorschau einer Sonntagszeitung wurde er als »dünnes, letztlich unbefriedigendes Ausdrucksmittel für Sim« beschrieben. Nun möchte ich ganz und gar nicht behaupten,daß mein Faible für diesen Film das letzte Wort haben muß,
de gustibus
und so weiter, aber schauen Sie sich bloß den
Stil
dieser Bemerkung an. Er demonstriert doch wieder einmal alles, was einen an Kritikern ärgert und abstößt. Die niedere, besitzergreifende Unverschämtheit dieses parvenühaften Schmierfinks, sich auf den Mann nur mit Nachnamen zu beziehen, das Abtun
ex cathedra
, das Kalte-Schulter-Zeigen, der völlige Mangel an allem, was Enthusiasmus oder Liebe auch nur ahnen ließe; keine Spur von Zuneigung zu diesem Medium, von Lust, von allen Gefühlen, die bei echten Filmfans mit Händen zu greifen sind, bei Liebhabern der Komödie, des Dramas, der Aufführungen oder Erzählungen in jeglicher Form.
    Es ist eine Binsenweisheit: Wenn die Leute, die diese Dinge den ganzen Tag lang be- und verurteilen, sie selber machen könnten, dann würden sie es tun. [1] Daß die Nachwelt zuletzt lacht, ist auch klar. Wer wird sich je an den galligen Schrott von Typen wie Martin Cropper, Michael Coveney und Lewis Jones erinnern oder gar davon inspirieren lassen? »Ruhig Blut, Stephen«, mögen Sie hier einwerfen, »kein Grund, unnötig beleidigend zu werden.« Durchaus. Ganz meine Meinung. Aber vielleicht ist eben auch der Schmerz überflüssig, den Kritiker bereiten. Jawohl,Menschen werden von ihren Spitzen verletzt; aber ja, Menschen weinen. Am Wochenende hat Sir John Mills mir erzählt, wie er vor einem Schminkspiegel saß und in Tränen ausbrach, als ihm die Bemerkung eines Kritikers einfiel, dessen Namen er längst vergessen hatte.
    »Ach, Pustekuchen«, rufen Sie jetzt, »und der böse Bube hat ihn ganz durcheinandergebracht, ja? Schauspieler bekommen doch hohe Gagen, oder nicht? Wenn sie die Sticheleien nicht vertragen, sollten sie aus dem Rampenlicht verschwinden.« Das kann man so sehen. Vielleicht ist es auch richtig, daß Schauspieler eine
Dienstleistung
erbringen, daß man dem Ego von Schauspielern und Schriftstellern und Künstlern mal die Luft ablassen muß, daß die Öffentlichkeit Beratung braucht, wie, wo und wann sie ihr Geld für künstlerische Veranstaltungen ausgeben soll, daß »ein gewisser Standard« gewahrt werden muß.
    All das eben Gesagte mag eine durch und durch überzeugende Existenzberechtigung für Kritiker sein. Das Problem ist bloß, daß niemand sich freiwillig für diesen scheußlichen Job meldet, abgesehen von dem wertlosen und verbitterten Ausschuß, den wir im großen und ganzen kriegen. Welcher anständige Kerl möchte denn schon sein ganzes Leben lang nörgeln und kritteln? Wie kann man da nachts noch schlafen?
    Stellen Sie sich folgende Szene vor. Ein Kritiker klopft an die Himmelspforten. »Und was hast du getan?« fragt Petrus. »Na ja«, sagt die tote Seele, »ich hab’ Sachen kritisiert.« – »
Wie
bitte?« – »Sie wissen schon, andere Leute haben Sachen

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