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Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Titel: Paperweight: Literarische Snacks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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versehentlich die Aufschrift »goodnight chocolate« trugen, auf Kissen in einem Hotel in Newport Pagnell: Vierzehn Tage später hatte sich das landesweit durchgesetzt.
    Der neue Brauch, der heute morgen diese Springflut des Elends über mich hereinbrechen ließ, besteht darin, die Morgenzeitung des Gasts in eine kleine Plastiktüte mit dem überflüssigen Aufdruck »Your morning paper« zu stecken und sie ihm an die Klinke zu hängen. Wird sie dadurch seltener gestohlen als eine gefaltete und in den Flur gelegte Zeitung? Oder eine unter der Tür durchgeschobene? Nein. Es ist lediglich ein weiterer grausiger Versuch, sich eine persönliche Note zu verleihen. Eine weitere phänomenale Verschwendung von Geld und globalen Ressourcen, ein weiteres aberwitziges Grinsen der anzüglichen und ehrlosen Hure, zu der die internationale Hotelbranche heruntergekommen ist.
    Nicht, daß der amerikanische Hotelstil nicht mit ein bißchen Erquicklichkeit zu verknüpfen wäre: Holiday Inns (inzwischen ironischerweise unter britischer Leitung) verstehen sich nach wie vor gut darauf in ihren für diesenZweck errichteten Gebäuden. Aber der Anblick billiger, nervtötender Teppichverkleidungen und stumpf abgezogener Eichendielen und billige, nervtötende Management-Orthodoxie, die gute britische Spontaneität überdeckt und abtötet, brechen einem das Herz.
    Lieber Fawlty als Forte, finde ich.

Mercury, der Götterbote
     
    Bei manchen Dingen auf der Welt möchte ich mir die Klamotten vom Leib reißen, auf und ab springen und in wildes Geheul ausbrechen. Toilettensitzbezüge, Strohblumensträuße, von »führenden, international anerkannten britischen Künstlern« handbemalte Teller mit Feldmäusen, die auf unseren englischen Fluren an Brombeeren schnuppern, in einer Andenkenedition, die man einfach für immer behalten möchte,
Gardener’s Question Time
, Leute, die sagen, »Möchtest du noch ein Täßchen?«, Schleifen an Yorkshire-Terriern, Geschirrtücher mit aufgedruckten Sinnsprüchen, Geschenkideen, die mit Golf zu tun haben, und Schulchöre, die »Lord of the Dance« singen: das sind ein paar meiner besonderen Lieblinge. Wenn ich diesen Dingen begegne, überkommt mich wie ein Samum der Wunsch, die Luft mit Obszönitäten zu verpesten, die alle Schadstoffgrenzwerte übersteigen.
    Aber das ist noch gar nichts, verglichen mit dem wilden, schwindelerregenden und bacchischen Sturm, der mein ganzes Wesen verschlingt, wenn ich auf solche Leserbriefe stoße, wie sie letzte Woche im ›Telegraph‹ zum Thema Freddy Mercury veröffentlicht wurden. Eine Frau beschrieb den verstorbenen Rockstar als »Monster« mit »ekelerregender« Lebensweise. Als ich diesen und andereArtikel und Briefe las, die das Leben dieses Mannes verurteilten, packte mich auf einmal der überwältigende Drang, mich auch ekelerregend zu benehmen: urplötzlich wollte ich ein Monster sein. Mir wurde auf einmal klar, die wirkliche Kluft in Britannien besteht nicht zwischen Reich und Arm, zwischen Labour und Conservative, zwischen Mann und Frau, zwischen Nord und Süd, sondern zwischen den Gnädigen und den Gnadenlosen. Im Namen des »Wohls unserer Kinder« ist jede unchristliche Verdammung, jedes schleimige Urteil, jeder heuchlerische Greuel erlaubt.
    Die tiefe, grausame Verderbtheit eines Frank Beck in der grünen Vorstadt ist die wahre Bedrohung für Kinder, nicht die dionysische Zügellosigkeit und der befreiende Überschwang eines Rockkonzerts. Mord, Mißhandlung, erstickende Unterdrückung und geistlose Grausamkeit sind vornehmlich zu Hause anzusiedeln, wie Ihnen jede Zeitung zeigt, tief eingebettet in den einladenden Schoß der großen britischen Familie.
    Die Menschen, die einen halben Hektar Blumen für die Straße vor Mercurys Haus schickten; die Mädchen, die um die halbe Welt reisten, um ihm Lebewohl zu sagen; die Viertelmillion Südamerikaner, die vor einigen Jahren ein einziges Queen-Konzert in Rio besuchte; die Abermillionen, für die er die Judy Garland, der Pagliacci, Falstaff, Don Giovanni und Dionysos unserer Tage war … sind sie von ihm verdorben worden? Hat er sie vom rechten Wege abgebracht? Hat er ihnen Standpauken gehalten? Ihnen gesagt, wie sie leben müssen? Sie zu Rauschgiftexzessen und analen Unschicklichkeiten gezwungen? Sie zu Rebellion, Verkommenheit oder Verbrechen angestachelt? Natürlich nicht. Er hat sie unterhalten. Unterhalten auf geistreiche, elegante und unerhörte Weise und im Geiste eines so gigantischen Grand Guignol, daß man es

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