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Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Titel: Paperweight: Literarische Snacks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Jahrelang habe ich mir vorzustellen versucht, wie jemand sich so erniedrigen könnte, wirklich und wahrhaftig Labour zu wählen, ohne rot zu werden. Das war fast so entsetzlich, wie wenn man Zewa statt Hakle kaufte.
    In jenem Jahr, das mich vom ekelhaften Zwölfjährigen zum widerlichen Dreizehner heranwachsen sah, wurde mal wieder das Parlament gewählt. Das erregte in North Norfolk großes Aufsehen, wie Sie sich werden denken können. Wenn unser Daheim auch nicht wirklich mit den großen politischen Salons der Vergangenheit Schritt halten konnte, so gab es zu Hause doch allerlei Kommen und Gehen in jener schwindelerregenden und bewegten Zeit, durchaus vergleichbar mit Cliveden in seiner Blütezeit. Wirklich, jeden Dienstag sah man den konservativen Wahlkampfleiter von North Norfolk mit dem Stadtkämmerer von Aylsham(nach der Eingemeindung von Cawston und Yaxham) ins Gespräch vertieft und Angelegenheiten diskutieren, die die Höchsten im Staate betrafen. Manchmal war sogar der Abgeordnete höchstpersönlich da. Bei solchen Anlässen, das kann ich Ihnen versichern, floß das Vim wirklich in Strömen. So manches Mal mußte ich Nachschub aus dem Keller holen. Ich trat ins Speisezimmer, strich mir die Spinnweben aus dem Haar, stemmte den Kanister auf den Tisch und lauschte, glubschäugig vor Ehrfurcht, wie in jenem Zimmer Staatsangelegenheiten geklärt wurden. Auf wie vielen Telegraphenstangen an der Straße nach Cromer man blaue Wahlplakate anbringen würde, ob das Lautsprechersystem auf dem Wahlkampfbully laut genug war, um die Einwohner von North Walsham aus dem Schlaf zu rütteln, und wer im Wahlkreis Booton die Senioren in die Wahlkabinen schippern würde.
    Historisch ist nicht daran zu rütteln, daß die Angelegenheiten, die an jener Tafel von den Männern und Frauen der North Norfolk Conservative Association entschieden wurden, schwindlig vom guten Vim, wie sie es gewesen sein mögen, geröteten Kopfes von Scott’s Haferflocken und fuchsig von Hakle, wie sie es unzweifelhaft waren, das Schicksal der Nation verändert haben. Das Ergebnis unserer Anstrengungen war, daß Edward Heath in den Buckingham Palace zitiert wurde und wir ihm treu ergebene East Anglianer bis in die stillen Stunden der Nacht hinein mit feinstem Gibbs SR auf sein Wohl anstießen.
    Dann kam ein Referendum zu Europa, was wir heute bestimmt ein Euroferendum nennen würden. Ungefähr zu jener Zeit entschied ich mich aus Gründen, die ich immer noch nicht ganz verstehe, zum offenen Aufstand. Obwohl der Parteilinie noch treu, kam ich zu dem Schluß, ein fanatischer Europagegner zu sein.
    Es war zweifellos die Pose eines närrischen Teenagers;ein Versuch, Unabhängigkeit zu zeigen, oder um, wie man heute sagen würde, bei Handlungsbedarf eigenverantwortlich vorzugehen.
    Meine Helden wurden Barbara Castle und natürlich Enoch Powell, dem ich vergab, daß er mir wie jedem Schüler mit seiner Ausgabe des Thukydides das Leben schwergemacht hatte: Ich ging sogar so weit, ihm zusammenhanglose Fanpost zu schicken, in der ich ihn meiner Unterstützung versicherte.
    Zwanzig Jahre danach ist es mir egal geworden, welches Toilettenpapier ich benutze oder welche Zahnpasta ich futtere, und politisch neige ich inzwischen zur Labour Party, aber bei der Europafrage wechsle ich immer noch täglich meine Meinung, werde wie eine Hoteldusche abwechselnd heiß und kalt. Manchmal sorge ich mich wegen gesichtsloser Eurokraten, dann wieder denke ich, wenn ich’s mir richtig überlege, zeigen unsere Herren in Whitehall ja auch nicht viel Profil. Regierung per Dekret kann vermutlich genausogut von Westminster ausgehen wie von Brüssel. Auch auf europäischer Ebene gibt es schließlich Wahlen. Und wenn die gegenwärtige Rezession zu einem weltweiten Abschwung gehört, wie soll da das Konzept ökonomischer Souveränität noch eine Bedeutung haben? Dann aber fällt mir wieder ein, daß Brüssel, worauf Martyn Harris neulich erst im ›Telegraph‹ hingewiesen hat, Kindern verbieten will, Zeitungen auszutragen, und ich kriege sofort eine Gänsehaut.
    Letztlich ist die Vetternwirtschaft, die damit anfängt, Leute nach Scheuermitteln zu beurteilen, und mit der Bombardierung von Dubrovnik endet, keine Kraft, mit der man sich glücklich verbünden könnte. Auch die Häuser anderer Leute haben ihr Gutes.

Zustand kritisch
     
    Vor einigen Tagen ging ein ziemlich bekannter Kritiker in den Ruhestand, begleitet vom Jubel aller für die Bühne Arbeitenden oder von ihr Begeisterten.

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