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Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Titel: Paperweight: Literarische Snacks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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auch Genialität nennen kann.
    »Millionen Fliegen verzehren Exkremente«, mögen Sie sagen, »das ehrt den Brauch noch nicht.« Vielleicht nicht. Insofern Rockmusik keine Massen aufwiegelt, kann ein Revolutionär sie als Beschwichtigung bezeichnen, als die kapitalistische Version von Brot und Spielen; insofern sie »wild und warm und frei« ist, kann ein moderner Puritaner sie lasterhaft nennen. Aber für Millionen ist sie
ihre
Musik,
ihre
Welt,
ihre
Antwort auf die Panik und die Leere von Verkehrsstaus und Hypotheken.
    Was für eine leere Phrase ist »Werte des Familienlebens« doch, und wofür steht sie eigentlich? Welche Tugenden hat sie anzubieten? Mit Christentum hat sie jedenfalls nichts zu tun. Hätte Christus spießige Selbstgefälligkeit mit moralischer Stärke und bigotte Vorurteile mit Nächstenliebe verwechselt?
    Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich liebe Familien. Elternschaft, Kinder, Weihnachten, Geborgenheit, Erziehung, gegenseitiges Vertrauen, all das sorgt für mehr Sicherheit und Freundlichkeit in der Welt. Ich liebe meine eigene Familie und viele Familien, die ich kenne. Aber »eine Familie« ist etwas ganz anderes als »Familie«. So wie Swift für jene Kreatur namens Mensch nur Haß und Verachtung übrig hatte, aber John und Peter und Andrew jeden für sich liebte, so habe auch ich nur Haß und Verachtung übrig für jene Kreatur namens Familienleben und die erstickende, bleierne, gekünstelte, falsche, todgeweihte, opportunistische Lebenseinstellung, für die man in ihrem Namen Partei ergreift.
    Unsere Kinder müssen geschützt werden, natürlich: vor Ignoranz, Konventionen, der Übernahme elterlicher Vorurteile, der Verweigerung einer Jugendzeit voller Experimente und Freiheit und vor jener intoleranten Cliquenwirtschaft, die die eigentliche Bedrohung der Menschheit darstellt. Natürlich sollten wir sie dazu auffordern, sichkeine giftigen Rauschmittel zu spritzen oder mit Fremden Körperflüssigkeiten auszutauschen – auch das Arkadien der Bohème aus »Bohemian Rhapsody« hat schließlich seine Slums; aber wer darf denn sein Kind zu einer Welt des Porzellans mit naiver Malerei und Dralonrüschen verdammen, ohne es zunächst einen Blick auf Kunst und Sensation werfen zu lassen?
    Ein gutes Vorbild sein? Was soll das heißen? Churchill trank zuviel, sein Vater starb an einer Geschlechtskrankheit. Kennedy ging fremd. King George V. fluchte. Gladstone verkehrte mit Prostituierten. Ich selbst bin auch kein Engel. Und Sie?
    Freddie Mercury fuhr auf seine eigene Weise in die ewige Verdammnis hinab; unterwegs gab er Millionen von Menschen etwas; er unterhielt, entzückte, verzauberte und bereicherte ihr Leben. Es ist richtig, um ihn zu trauern. Wenn Britannien sich keine diplomatischen Beziehungen zu Bohemia leisten kann, dann sind wir wirklich verdammt.

Eigner Film ist Goldes wert
     
    Stellen Sie sich, wenn Sie so liebenswürdig sein wollen, nur eine Minute Ihrer ausnehmend wertvollen Zeit lang folgendes Szenario vor. Ein paar Menschen haben in Britannien Öl entdeckt. Sie sind verzückt. Sie tanzen vor Freude und lenken ihre Schritte wie in Trance auf die Portale von Risikokapitalgebern in der City of London zu.
    »Bitte!« rufen sie. »Leiht uns nur etwas Geld, um Bohrköpfe zu kaufen, und bald wird das Öl aus den Quellen sprudeln, und wir werden reich sein über alle Habgier hinaus.«
    Die Risikokapitalgeber reiben sich ihre Kinne. »Undwann sehen wir eine Rendite?« fragen sie. »Werden
alle
Quellen fördern? Haben Sie Sicherheiten?«
    Erstaunt, verletzt und ein bißchen geknickt machen sich die Ölgräber zur Downing Street auf.
    »Wir sind auf Öl gestoßen«, sagen sie, schon nicht mehr ganz so schwungvoll. »Können wir bitte etwas Geld für Bohrköpfe haben?«
    »Herrjemine«, sagt der Mann vom Finanzministerium, »Bohrköpfe sind doch ganz schön teuer, ne?«
    »Aber verstehen Sie denn nicht«, greinen unsere Helden. »Öl … wir haben Öl, hier, in Britannien. Wir werden Millionen verdienen. Wir brauchen bloß noch Geld für das eigentliche Bohren …«
    »Grundgütiger Himmel«, murmeln die Minister. »O mein Schlaf, mein Bier und Whisky … Bohren ist doch so teuer, oder nicht?«
    Die Geologen und Ölgräber schütteln verwundert die Köpfe, trollen sich und lassen als nächstes aus Amerika von sich hören, wo sie mithelfen, Öl aus den Quellen ins amerikanische Staatssäckel umzuleiten.
    Klingt absurd, oder nicht? Schließlich
haben
wir Öl auf unserem Territorium entdeckt, und

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