Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)
Pithekanthropoiden wie Amerikas Staatschef zu verspotten. Er ist aber auch wirklich ein gigantischer alter Tattergreis, was? Aber sehen Sie, das passiert nun einmal, wenn man den Alten Macht überträgt. Können Sie sich vorstellen, daß eine Person wie, nur als Beispiel, ich selbst die Wirtschaft lenkt oder die Nation repräsentiert? Die Vorstellung ist lächerlich, und doch habe ich zwölfeinhalbmal soviel Geist, Humanität und Weisheit wie Ronald Reagan. Das hält mich andererseits auch nicht davon ab, ein schwachsinniger alter Idiot und komischer Kauz zu sein. Bei einem Politiker ist das hingegen verzeihlich, es erscheint uns geradezu als unerläßliche Eigenschaft, als
sine qua non
. Meine bleibende Sünde aber, die es mir auf Dauer unmöglich macht, ein hohes Amt innezuhaben, ist, daß es mich keinen Deut schert. Und offensichtlich leidet auch Mr President an dieser Lethargie, dieser vollständigen Indifferenz. Es ist ihm, in Rhett Butlers liebenswerter Formulierung, völlig schnuppe. Bei alten Menschen bezaubertuns diese Eigenschaft, solange sie keine Autorität ausüben: in meinem Fall resultiert sie in hübscher, unbekümmerter Sorglosigkeit, was Formularausfüllen, Steuerzahlen, Verkehrsregeln und Inkontinenz anbelangt. In Reagans Fall manifestiert sie sich indessen in so bestürzenden Vorfällen wie den Verstößen gegen Anstand, Protokoll und Völkerrecht, wie sie bei seinen abscheulichen, wahnsinnigen Geschäften mit dem Iran zu bezeugen waren.
Es ist alarmierend, wenn man sich klarmacht, daß der Mensch, der auf Gottes schöner Erde mit der meisten Macht betraut worden ist, mit fast vollständiger Gewißheit mehr darum bekümmert ist, ob sein morgendlicher Stuhlgang mehr oder weniger schmerzhaft sein wird als der letzte, als um die durchtriebene Sittenlosigkeit seiner Regierung im Umgang mit Nachbarstaaten. Das kann einfach nicht funktionieren. Wie sollte es auch? Natürlich nicht. Kann es gar nicht. Nein, kann es natürlich nicht. Ist doch logisch.
Das amerikanische Volk scheint den alten Schatz trotzdem gern zu haben, was mich zwischen Hoffnung und Verzweiflung schwanken läßt. Verzweiflung, weil klar ersichtlich ist, daß unsere im allgemeinen doch annehmbare Spezies nicht mehr viel Zeit hat, und Hoffnung, weil feststeht, daß ich, wenn ich die Treppe runterluller oder vergesse, meine jährlichen Steuern zu zahlen, imstande sein werde, mit vor Erregung zittriger Stimme um Entschuldigung zu bitten, und noch einmal davonkommen werde.
So, es ist März und der Tatbestand nicht zu verhehlen, daß März der Bademonat ist. Zeit für Andidge, meinen Adlatus, die Wanne einlaufen und den Dreck eines weiteren Jahres aufweichen zu lassen. Oft werde ich gefragt, warum ich jedes Jahr im März ein Bad nehme, und ich entgegne, daß es ungesund und unhygienisch wäre, es nicht zu tun. Aber bevor ich mich verabschiede, muß ich dieGelegenheit ergreifen, Nilyard Standeven von der Archbishop Browning’s School in Wisbech zu antworten, der mich bat, an seiner Schule einen Vortrag über einen erbaulichen Gegenstand zu halten. Ich habe zwei Reden, Mr Standeven, und würde mich freuen, eine davon an Ihrer Akademie vorzubringen. Sie behandeln »Die dorische Partikel in den späten Fragmenten des Menander« (mit Diavorführung) und »Nitroglyzerin: eine praxisorientierte Anleitung für Anfänger«. Suchen Sie sich eine aus und lassen Sie mich vor dem zweiten Sonntag der Fastenzeit von Ihrer Entscheidung wissen. Bis dahin Ihnen allen, wenn Sie haben, hallo.
Trefusis’ Nachruf
STIMME: Dr Donald Trefusis, Regius-Professor für Philologie an der Universität Cambridge und außerordentlicher Fellow am St Matthew’s College, hat sich Gedanken über den Tod gemacht.
In der guten alten Zeit gab es eine eigenartige Konvention im Kintopp, die benutzt wurde, um das Verstreichen der Jahre anzudeuten. Fallende Kalenderblätter lösen sich und flattern davon, vom Sturm der Zeit verweht. Wie so viele kinematographische Eindrücke hat sich dieser in meinem Kopf festgesetzt, und zum Jahreswechsel blitzt vor meinem inneren Auge immer wieder das Bild eines großen weißen Blattes mit dem Schriftzug »31. Dezember 19x« auf, das sich ablöst und »1. Januar 19x+1« enthüllt. Manchmal ist die Vorstellung so deutlich, daß ich sogar den Sinnspruch unter dem Datum lesen kann. Heuer lautete die Neujahrsmaxime beispielsweise »Höflichkeit kostet nichts«, eine recht skurrile kleine Lüge – ich weißwirklich nicht, wen sie mit
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