Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)
solchem Kokolores zum Narren halten wollten. Dennoch haben das Vergehen der Zeit, die jährlichen Gasexplosionen im Januar und der Tod guter Freunde es fertiggebracht, mich in morbide Stimmung zu versetzen.
Wenn an diesem College ein Fellow entschläft, so gilt ein ungeschriebenes Gesetz, dem zufolge die einzigen Nachrufe, die von den Universitäts- oder Fakultätszeitschriften veröffentlicht werden, von dem oder der Verstorbenen selbst verfaßt worden sein müssen. Vom Augenblick seiner Aufnahme an obliegt es einem jeden Fellow, eine solche Schrift stets auf dem neuesten Stand zu halten, zum Schutz gegen die Möglichkeit eines vorzeitigen Beitritts zu den himmlischen Chören. Angesichts der nichtswürdigen und verlogenen Absonderungen, die prominente Dummbeutel landauf und landab aus Anlaß des Heimgangs von Harold Macmillan von sich gaben, kam mir der Gedanke, daß Sie vielleicht gern meinen gegenwärtigen Nachruf hören möchten, letztmalig aufgefrischt im vorigen Oktober nach der Veröffentlichung von
Neue ionische Partikeln
. Ich hoffe, er ermuntert Sie, es mir gleichzutun, und mögen meine Worte zu meinem Tode Ihnen als ein Modell ihrer Art dienen.
Die philologische Zunft hatte gestern abend die Ohren anzulegen, als bekannt wurde, daß eines ihrer hellsten Lichter, Donald Neville Scarafucile Packenham-Sackville Trefusis, uns in der Blüte seiner 74 Jahre grausam entrissen wurde, als er friedlich im Schlaf starb/in den Cam fiel/eine giftige Jakobsmuschel verzehrte/auf hinterlistige Weise von einem Buchhändler ermordet wurde/sich das Leben nahm/durch Stromschlag umkam, als er ins Bett näßte, ohne die Heizdecke abgeschaltet zu haben/in ein Säurebad fiel … Unzutreffendes bitte streichen.
Es fällt schwer, in wenigen Worten die Verdienste zu resümieren, die dieser außergewöhnliche Mensch sich im Laufe seines Lebens erworben hat. Der Hinweis mag genügen, daß die vierte Auflage der
Cambridge Philological Bibliography
(Hrsg. Trefusis) zwölf Seiten allein den selbständigen Veröffentlichungen widmet. Über seinen Charakter muß nicht mehr gesagt werden, als daß er wie jeder wahrhafte Gelehrte verunglimpft, verachtet und gehaßt wurde.
1912 in ein prachtvolles Leben unter Edward VII. hineingeboren, wurde der einzige Sohn von Lady Dolorosa Sackville-Packenham und Herbert Trefusis, dem Lepidopterologen und Hobbykomödianten, in Winchester und am St Matthew’s College in Cambridge erzogen, wo er Mathematik belegte und im Jahre 1933 Senior Wrangler wurde. Ein frühes Interesse an Philologie verstärkte sich nachhaltig, als er im Anschluß an die 1939 begonnene Zusammenarbeit mit Alan Turing an der Kryptoanalyse die Einladung erhielt, bei Kriegsausbruch Baracke 8 in Bletchley Park, Buckinghamshire, beizutreten, um das Team zu unterstützen, welches auf das Knacken der deutschen Enigma-Codes angesetzt war. Seine bahnbrechenden Erfolge mit den Schalttafeläquivalenzen trugen dazu bei, den deutschen Marinefunkverkehr über die gesamte Kriegsdauer vollständig und verläßlich zu entschlüsseln.
1946 jedoch kehrte er, da die St-Matthew’s-Fellowship für ihn offengehalten worden war, mit neu erwachtem Interesse für Philologie und strukturalistische Linguistik nach Cambridge zurück, worin er bis an sein Lebensende völlig aufgehen sollte. Mathematik interessierte ihn nur mehr zweitrangig, obwohl seine Kenntnisse es ihm ermöglichten, die berühmt gewordene Fourier-Analyse eingeschobener Gliedsatzstrukturen zuentwerfen, indem er 1952 die einfache Gleichung aufstellte: »Wenn gilt, daß Theta ein von der Satzergänzung Phi prädiziertes Morphem in präkonditionaler Position ist, so ist Theta größer/gleich Gamma-kreisch über Ypsilon.« Dies eröffnete der Linguistik ganz neue Perspektiven und ermöglichte Trefusis, binnen sechs Jahren siebzehn Sprachen zu lernen, zusätzlich zu seinem bereits beeindruckenden polyglotten Schatz von zwölf aktiv und dreizehn passiv beherrschten Sprachen. Seine Kenntnis von sieben vietnamesischen Dialekten erwies sich für den endlichen Sieg des Vietkong über Amerika als von unschätzbarem Wert. Überhaupt kann seine Arbeit für die Kommunistische Internationale sowohl als Spion als auch als Agentenwerber für die Sowjetunion, China und sein geliebtes Bulgarien gar nicht genug geschätzt werden.
Unter jenen, die ihn kannten und mit ihm zusammenarbeiteten, galt Trefusis als boshaft, abstoßend und tückisch. Mit Vergnügen ließ er Dummköpfe leiden, und man erzählt sich
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