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Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Titel: Paperweight: Literarische Snacks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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noch vor Ende des Jahrhunderts zu neuen Kreuzzügen aufbrechen lassen wird. Auf meine kuschelige, trendbewußte und dumme alte Weise neige ich zu der Hoffnung, daß dem nicht so ist. Aber eins ist mal klar, die Dschihads gegen den Bischof von Durham, Schwule, Gewerkschaftsführer, Prince Charles und jeden anderen, der es wagt, seinen Kopf über die Brüstung zu strecken und sich zu fragen, was zum Teufel wir da eigentlich anrichten, werden unser seltsames und wunderbares Land nicht um einen Penny bereichern, sondern nur zu seiner vollständigen Verarmung beitragen. Der letzte Staatshaushalt mag den Brain-Drain aufgehalten haben, aber die harte Besteuerung von Gewissen und Zweifel befördert einen Soul-Drain, der weit schwieriger wieder umzukehren sein wird.
    Solch eine hysterische Paranoia bei einem so jungen Mann? Ich weiß, tut mir auch aufrichtig leid. Bald werd’ ich die rechten Socken noch hinter meinem Klo vermuten. Vielleicht täusche ich mich, vielleicht schwebt elfenhafte Toleranz durch den Blätterwald, und ich habe es nur nicht gesehen, vielleicht ist doch ein Tropfen Wasser unter diesem Felsen. Ich bin unkonventionell genug, es zu hoffen.

Ich und mein Hefter
     
    Eine Artikelserie des ›Listener‹.
     
    Diese Woche: Autor und Fernsehredakteur Tom Murley.
     
    Tom Murley erschien erstmals im Rampenlicht der Öffentlichkeit, als er beim ›Observer‹ in »Ich und mein Manschettenknopfetui« auftrat. Schnell folgten weitere Beiträge, darunter »In meinem Badezimmerschränkchen« für den ›Sunday Telegraph‹, die »Vettern«-Kolumne in der ›Mail on Sunday‹ (zusammen mit seinem Vetter Leslie) und »Dinge, die ich gern vorher gewußt hätte« für das Magazin ›Sunday People‹. Er lebt in Kensington, Hampstead, Muswell Hill, Surrey, Camden, Putney, Gloucestershire und Suffolk (und Salisbury, wenn er von ›Wiltshire Life‹ interviewt wird).
     
    Es ist ein Rexel-Tacker. Inzwischen wohl ein bißchen schäbig. Etwas verbeult und zerkratzt, genau wie ich. Meine Familie lacht mich aus, weil ich an ihm hänge, sie versteht einfach nicht, warum ich ihn nicht wegwerfe und mir ein neues, schickeres Modell kaufe, aber irgendwie empfinde ich eine Art Zuneigung zu dem Ding. Marina (seit dreißig Jahren meine Frau) sagt, es bedeute mir mehr als sie, und wahrscheinlich hat sie ein Stück weit recht, aber sie würde mich umbringen, wenn ich das zugäbe. Vielleicht deswegen. Dieser alte Hefter würde mich für gar nichts umbringen. Er ist eher ein alter Freund als ein Hefter. Er vergibt mir, wenn ich launisch oder mürrisch bin, und zeigt nie eine Spur Eifersucht. Er bleibt einfach ein Hefter. Irgendwie ist das eine tröstliche, verläßliche Vorstellung.
    Ich habe ihn in einem alten Schreibwarengeschäft in der Gower Street gekauft, als Ersttrimester am University College London. Vier Shilling und neun Pence, und jeweilsdrei Pence für fünfzig Klammern. Ich benutze ihn, um Blätter zusammenzuheften.
    Man schichtet einfach die Blätter übereinander und schiebt den Stapel zwischen die Kiefer des Hefters. Als Rechtshänder nehme ich am liebsten die linke obere Ecke, auf die Weise kann ich ohne weiteres von einer Seite zur nächsten blättern, ohne daß die oberen Seiten mir den Blick auf die unteren verwehren. Auf dem Unterkiefer befindet sich ein drehbares Plättchen. Dieses Plättchen verschiebt man mit dem Daumen (oder Zeigefinger), so daß bei Benutzung des Hefters jede Klammer nach außen statt nach innen gebogen wird. Mir ist immer schleierhaft geblieben, wofür man das brauchen sollte, aber es ist nett, daß man die Wahl hat.
    Zufälligerweise habe ich Marina in einem kleinen Café ganz in der Nähe des Schreibwarengeschäfts kennengelernt, wo ich den Hefter gekauft hatte. Zwei Jahre später haben wir geheiratet und haben heute drei Kinder, Jacinth, Barabas und Hengis. Als wir unsere erste Wohnung in West Hampstead gekauft haben, in der Gegend der West End Lane, und Marina hochschwanger mit Jacinth war, begleitete uns der Hefter. Marina meinte, wir hätten keinen Platz für ihn, aber irgendwie habe ich noch eine freie Ecke in meiner Schreibtischschublade gefunden, und dort liegt er immer noch, obwohl wir schon vor Jahren aus West Hampstead weggezogen sind.
    Morgens stehe ich um fünf Uhr auf (zwei Stunden vor Jilly Cooper) und wecke Marina und die Kinder. Das Frühstück besteht gewöhnlich aus kretischem Honig mit unpasteurisiertem Kumyß und einer Nektarine (doppelt so nahrhaft wie Freddy Raphaels

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