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Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Titel: Paperweight: Literarische Snacks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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abscheuerregende Verbrechensbekämpfungsnovelle noch nicht durchs Parlament gebracht hat, schweigen darf, ohne daß Sie dieses Schweigen gegen mich verwenden dürften.
    Ich habe nichts zu sagen, und das habe ich gesagt.

Die Jugend
     
    Neulich war ich alarmiert, als ich in der ›Daily Mail‹ las – daß ich die ›Daily Mail‹ las, ist alarmierend genug, dürfen Sie an dieser Stelle berechtigterweise einwerfen –, daß die Jugend von heute anscheinend geld- und karriereorientiert ist, weniger zum Aussteigertum und mehr zum Konformismus neigt, Homosexuellen mehr Intoleranz, Drogen dagegen weniger Interesse entgegenbringt und schließlich stärker an die Wichtigkeit der Familie glaubt als frühere Generationen. Das ist bestürzend. Ist es wirklich schon so weit gekommen? Sie sollten sich keine übergroßen Sorgen machen, die ›Mail‹ hat lediglich ihre eigenen verkommenen Phantasien auf einen Schub oder eine Ladung harmloser Forschungsergebnisse projiziert, die irgendeinem Statistiker aus dem Computer geplumpst sind. Aber so ist die ›Daily Mail‹ nun mal. In vielerlei Hinsicht ist sie die schlimmste Zeitung des Landes, weil sie irgendwo in ihrem Image eine Nische freihält, in der wir uns einreden können, sie sei eine Klasse besser als die schmutzigen Revolverblätter. Sie verläßt sich auf die Bequemlichkeit des jungen Immobilienmaklers oder Kundenbetreuers, der weiß, daß er eigentlich den ›Independent‹ kaufen sollte – aber schließlich braucht der Zug nicht so lange zur Arbeit, und diese großen Seiten sind immer so schwer umzublättern, also was soll’s, schnappen wir uns doch die ›Mail‹.
    Wenn es etwas gibt, wogegen die ›Mail‹ so entschlossen steht, wie eine widerliche Rotzfahne von Zeitung nur stehen kann, dann das, was wir als das »liberale Gewissen« bezeichnen können. Das kann man dort auf den Tod nicht ab. Ich bin selber ein altmodischer Bursche. Ich finde, Jugendliche sollten viel Zeit damit verbringen, unerträglich zu sein, zugekifft, rebellisch, sexuell unternehmungslustig, nett, weltfremd, wütend, großzügig, skeptisch, selbstlos,gegen die Familie, gegen die Regierung, gegen Macht, gegen Geld, gegen Histamine, eigentlich gegen jede Establishmentalität. Jung sein eben. Ich bin nun mal ein Traditionalist. Ich habe nicht viel dagegen, wenn jemand anderer Meinung ist, und schaffe es manchmal, einen Neunzehnjährigen in Anzug und Krawatte anzusehen, ohne mich scheckig zu lachen oder an die brutale Beschreibung von Leonard Bast zu denken, den jungen Bankangestellten in
Howard’s End
, »der die Glorie des Tiers für einen Frack und einen Satz Ideen aufgegeben hatte«. Für die Hegung dieser seltsamen Zweifel können Sie mich nennen, wie Sie wollen, nur nicht »trendy«. Ja, ich verwehre mich ausdrücklich nicht dagegen, als links beschrieben zu werden: Ich gebe sofort zu, daß ich liberale Ansichten zu Nikaragua habe, zu Feminismus, Schwulenrechten, Atomwaffen, dem Umweltschutz, dem Gesundheitssystem, der Dritten Welt, Raffgier, den Gewerkschaften und was sonst noch gute Karten hat, ein paar Kolumnen blühenden Blödsinns von George Gale oder Roger Scruton einzuheimsen. Nennen Sie mich einen Kommunisten, ein subversives Element, einen schrägen Vogel, einen nutzlosen Auswuchs, das verblichene Überbleibsel einer gescheiterten Generation. Darüber läßt sich reden. Aber tun Sie um Himmels willen nicht so, als läge irgend etwas davon im Trend. Wenn Sie wissen wollen, was Trend ist und was seit mindestens zehn Jahren im Trend ist, dann ist das die erbitterte Opposition gegen jenes liberale Gewissen. Wenn Sie wissen wollen, was in Mode ist, dann schauen Sie sich die konzertierte Aktion von sieben Achteln der Presse an, die jeden Ansatz zu einer Debatte über Themen wie das Kapital, die Familie und die auf dieser Insel heute grundlegenden Werte in Mißkredit zu bringen trachten.
    Es gibt eine Weltgegend, die ein leuchtendes Beispiel setzt in Sachen Achtung der Familie und des Vaterlandes,drakonische Strafen für Verbrecher, Moral und Bewußtsein für Religion als Bestandteil nationalen Lebens, und das sind natürlich der Iran und der Rest von Hisbollahnistan. Möglicherweise sind wir dadurch, daß wir Diskussionsmöglichkeiten im Keim ersticken und ein Klima schaffen, in dem Zweifel als »Trend«, »Allüren«, »Kommunismus« oder schlicht und einfach als wahnsinnig abgetan werden, auf dem Weg zur Hervorbringung einer westlichen Version des islamischen Fundamentalismus, die uns

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