Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)
Frühstück und dreimal so exotisch wie das von Shirley Conran). Dann jogge ich durch den Park/Stadtwald/Grüngürtel. Ich habe letztens mit dänischer Marinegymnastik angefangen. Das kennendie wenigsten, und deswegen mache ich sie. Sie besteht aus Dehn- und Atemübungen, die sich durch nichts von den Dehn- und Atemübungen unterscheiden, die jedermann seit Hunderten von Jahren betreibt, aber man muß dabei einen
Frottee-Thmarjk
oder »Trainingsanzug« tragen, und deswegen werde ich allmorgendlich von vier Leuten mehr ausgelacht als Laurie Taylor.
Dann geht’s an die Arbeit. Am liebsten diktiere ich mir die Entwürfe selbst (zu Weihnachten 1968 hat mir Marina einen Stenokurs geschenkt). Ich halte sie mit einem B2-Bleistift in einem eng linierten Schulheft von Phillips and Drew fest. Ich mag die weichen, dunkleren Linien des B2. Ich beschreibe nur die linken Seiten. Im nächsten Schritt bringe ich mit einer alten »Invicta« von Waterman auf der rechten Seite Korrekturen an, wobei ich nur jede zweite Zeile beschreibe. Dieses Verfahren ist viermal so kompliziert und sinnlos wie das von Simon Raven. Diesen Text übertrage ich dann auf einen 70-MB-IBM-Computer, den ich letztes Jahr von Barabas zum Vatertag bekommen habe. Das sind 65 Millionen Bytes mehr, als Len Deighton auf seinem Textverarbeitungsgerät zur Verfügung hat. Ich schreibe immer im Stehen, an einer alten Kredenz, die ich beim Verkauf der Einrichtung der Kirche St Michael and All Angels in Islington erstanden habe.
Ich arbeite in zehnminütigen Anfällen, zwischendurch gehe ich ausgiebig schwimmen. Unser Schwimmbad habe ich selbst gebaut, nach meinem eigenen Plan. Es hat die Form des burmesischen Symbols ewiger Gelassenheit, des Rechtecks. Das nepalesische Symbol ewiger Gelassenheit ist eine Endlosschleife, vielleicht habe ich mein Interesse an Nepals Religion gerade zur rechten Zeit aufgegeben, als übrigens John Fowles sich dafür zu interessieren begann: Wenn mein Pool die Form einer Endlosschleife hätte, könnte ich nicht so leicht Längen zählen. Gefüllt ist er mitalkalischem Heilwasser – chlorhaltiges Leitungswasser ist schlecht für die Lymphdrüsen –, temperiert auf 21 °C.
Dann gibt’s Abendessen mit dem Hefter. Das Mittagessen lasse ich aus (anders als Kingsley Amis und Anthony Burgess). Wenn die Kinder aus der Schule nach Hause kommen, spielen wir Scrabble oder unterhalten uns darüber, was sie im Tagesverlauf so angestellt haben, ich finde immer, daß das wirklich wichtig ist. Ich sehe nicht fern, es zerstört meiner Meinung nach die Kunst, über sich selbst zu reden. Schließlich ein taiwanesisches Fruchtbad und dann ins Bett. Ich schlafe rechts, der Hefter links. Marina hat ihr eigenes Schlafzimmer. Warum, weiß ich nicht genau.
NÄCHSTE WOCHE: Dichter und Weltreisender Millinie Bowett mit seinem Beitrag »Mein Plätthandtuch und ich«.
Über die Unverständlichkeit
Es gab mal eine Zeit, da konnte man kaum eine Zeitung aufschlagen, am wenigstens die ›Times‹ oder den ›Telegraph‹, ohne auf einen von irgendeinem Wächter des gesunden Menschenverstandes und klaren Denkens verfaßten Artikel zu stoßen, der gegen den Jargon und die periphrastische Schaumsprache von Gewerkschaftlern, Soziologen und Bürokraten zu Felde zog. Über polysyllabische Terminologie runzelte man die Stirn. Was man seinerzeit Weitschweifigkeit nannte, wurde verspottet und verhöhnt. Die These, in der stets das Eintreten für individuelle Freiheit mitschwang, lautete, die ungebildeten, aufgeblasenen Mandarine des Sozialstaats versteckten ihre bösen Absichten unter einem Ornat, der die zwergenhaften,verkrüppelten Gestalten verberge. Ein wahrhaftiges Pogrom gegen »Folgenabschätzungen« und »denkbare Szenarien« wurde eingeläutet. ›Private Eye‹ startete eine Kolumne, die einige der denkwürdigsten Beispiele solcher Pressesprache aufspießte: Philip Howard, Michael Leapman und Bernard Levin hoben in der ›Times‹ mit unterschiedlich viel Witz und Treffsicherheit Einzelfälle der inkomprehensiblen Logorrhöe, des Schauderwelschs und der Verbalrabulistik hervor, die sie um den Verstand zu bringen drohten. In Übereinstimmung mit dem olympischen Grollen, das der Phantasie der Redakteure jener Zeitung zufolge den Ton des Blitzeschleuderers durchdringt, besteht die ehrenvolle Aufgabe der Sprache darin, die Dinge mit Klarheit und Präzision zu durchdringen.
Ich bin gewiß, daß diese Apostel der Luzidität viel Gutes getan haben. Ein
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