Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)
primitive Anliegen, aber bei einem Laserdrucker mit 300 dpi oder
dots per inch
ist das Ergebnis von beeindruckender Qualität, und das läßt einen doch wieder hoffen.
Jetzt zur Überarbeitung des Textes selbst: Ich habe einen dazuschaltbaren Thesaurus, der mir, wenn ich völlig verzweifelt bin, Synonyme anbietet. Probieren wir ihn mit »verzweifelt« aus: »aussichtslos, entmutigt, gebrochen, hoffnungslos, kleinmütig, mutlos, niedergeschlagen, resigniert, ratlos, deprimiert, gedrückt und lebensmüde« werden mir unter anderem angeboten. Und von der Rechtschreibkontrolle muß ich Ihnen erzählen. Wenn ich den Text dieses Artikels, soweit er bisher gediehen ist, vom mitgelieferten Wörterbuch überprüfen lasse, bezweifelt er die folgenden Worte: omphalisch (was ich ihm nicht verdenken kann, warum sollte er so ein angeberisches Oberstufenwort kennen?), banausisch (dito), Fax, Biep, dazuschaltbar und Reflexion (wo er mir zu Recht mitteilte, das werde nicht mit »kt« geschrieben).
Also, der Artikel sieht gut aus, ist regelgerecht geschrieben und voll mit mörderisch präzisen Synonymen. Aber wie ist es um den Stil bestellt? Auch dafür gibt es Software. »MacProof: Die Macintosh-Stilkontrolle« kann meinen Text auf stilistische Schwächen hin absuchen: sexistischen, rassistischen und uneleganten Sprachgebrauch. Schlau war ihr aufgefallen, daß ich weiter oben »wenn wenn« geschrieben hatte (eine beim Tippen häufig unterlaufende Wortwiederholung, die man beim Korrekturlesen leicht übersieht). Über das Wort »und« am Satzanfang runzelte sie die Stirn und meinte, sie bevorzuge »außerdem« oder ähnliches. Sie warf mir vor, zu viele Verben in Substantive verwandelt zu haben; als allgemeinen Rat fügte sie hinzu, der Satz »Das Nachspielen von Paul Reveres Ritt durch die Geschichtswerkstatt gelang wunderschön« laute besser »Die Geschichtswerkstatt spielte Paul Reveres Ritt wunderschön nach«. Andererseits erhielt ich einen Freispruch in Sachen Sexismus und Rassismus, und mein Text wurde für frei von vagen oder übertriebenen Formulierungen befunden.
Schließlich noch zum unentbehrlichsten Mittel von allen: der Wortzählung. Ich erfahre, bislang 867 Wörter getippt zu haben. Das ist zuviel: Da muß ich noch mal drübergehen und streichen. Ich darf 830, höchstens 850 abliefern.
So, auch das wäre geschafft. Ein frischer, eleganter, klarer und strammer Artikel, jetzt auf exakt 828 Wörter gekürzt. Trotzdem ziemlich langweilig, oder? [1]
Zerreißt ihn für seine schlechten Verse
Falls Salman Rushdie noch am Leben ist, wenn dieser Artikel die Druckerei verläßt, was ich sehr hoffe, frage ich mich, ob er dann manchmal überlegt, wieviel Glück er gehabt hat, nicht im mittelalterlichen Britannien einen Roman geschrieben zu haben, der Jesus kritisierte. Wenngleich gewisse Angehörige des islamischen Glaubens ein wenig übereifrig sind, den guten Namen und die großen Taten ihres Propheten zu beschützen, so ist das doch ein Klacks im Vergleich zu einem beleidigten Christen der alten Schule. Ein wahnsinniger Moslem durchsiebt einen vielleicht mit Kugeln und macht ein Mordsgeschrei, aber zumindest zieht er einem nicht das Fell über die Ohren und die Eingeweide aus dem Leib und hält einem währenddessen noch eine Predigt über die Reinheit der Seele. Zugegeben, das ist kein besonderer Trost für den belagerten Mr Rushdie, der wohl lieber am Leben bliebe, als an jedem einzelnen Wochentag den Märtyrer für künstlerische Freiheit abgeben zu müssen, aber vielleicht lenkt ihn der Gedanke etwas von der schlimmeren täglichen Furcht ab.Natürlich kann er sich mit seinen Leibwächtern zwischen ein paar Runden Stille Post oder Mau-Mau auch über das Thema Cinna unterhalten. Sie wissen schon, das war der Römer, der
nicht
Cinna der Verschwörer war, einer der Mörder Julius Caesars, sondern Cinna der Dichter. Der Pöbel fand, er solle trotzdem sterben: »Zerreißt ihn für seine schlechten Verse!« faßt die Volksstimmung jener Tage gut zusammen. Ich könnte wetten, daß jetzt in Bradford ein Kuchenbäcker namens Salman Rushdie lebt, der voller Furcht und Zittern durch die Straßen schleicht, weil man ihn für seine schlechten Kekse zerreißen könnte.
Nächste Woche will ich selber einen Roman anfangen, das heißt einen schreiben, ich bin noch nicht soweit, einen zu lesen, und ich habe überlegt, welches Thema ich behandeln müßte, um mich in Lebensgefahr zu bringen. Viele fallen mir nicht ein. Aber es ist
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