Papierkrieg
Herzmanovsky, Polgar und Kraus
mochten einmal so geredet haben. Sein Deutsch stammte aus einer Zeit, als die
Hakoah noch um den österreichischen Meister gegen die Amateure spielte.
Außerdem war er der einzige Mensch, den ich kannte, der noch Frigidaire zum
Kühlschrank sagte. Ein Wort wie Eisschrank wäre für ihn ein Neologismus
gewesen.
Wir machten etwas Smalltalk, bis ich mit meiner Frage nach
Slupetzky rausrückte. Bender sah kurz Richtung Fred, dann fokussierte er wieder
mich und legte los.
»Slupetzky kam mit dem Mauerfall in den
Westen. War anschließend fast die ganzen 90er auf irgendwelchen
Kreuzfahrtschiffen. Hat dort fette Millionärinnen ausgenommen. Hat damals auch
in den Staaten gepokert. Irgendwas ist dort schief gelaufen und er ist in Wien
gelandet, so vor zehn Jahren ungefähr. Er hatte ein paar Tische laufen, an
denen er sich immer wieder blicken ließ. Hat ein bisschen gewonnen, aber nicht
viel. Bis er mir letzten September einmal ganz ordentlich die Bank gesprengt
hat. Deswegen glauben die Krimineser auch, dass wir was damit zu tun haben. Die
haben keine Ahnung, ist für mich doch die beste Werbung, wenn einer bei mir
gewinnt. Dann kommen die ganzen anderen Idioten, die, mit denen man wirklich
Geld verdienen kann. Entweder verlieren sie gleich, oder sie gewinnen und
fuchteln bei meinen Mädels mit den Scheinen herum. Ich schau schon drauf, dass
niemand mein Geld mit über meine Schwelle nimmt.«
»Also waren es Werbeausgaben?«
»Genau.«
»Ist sicher nötig in der jetzigen Zeit.«
»Wie meinst?«
»Na ja, alles internationalisiert sich. Deine Branche auch. Gegen
die Multis wird’s sicher langsam schwer, sich im Geschäft zu halten.«
Er musterte mich kurz. Seine kalten Augen hätten mir fast einen
Schauer über den Rücken gejagt, wenn ich sie nicht bereits von früher her
gewohnt gewesen wäre. Er nickte.
»Du hast schon recht. Und seitdem die
Wettlokale wie Pilze aus dem Boden schießen … Dagegen kommt man nicht an.«
Bender atmete schwer, wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß vom
Totenschädel und fuhr fort. »Seitdem hat der Slupetzky nicht mehr gespielt,
weder bei mir noch sonstwo.«
»Könnt es nicht sein, Bender, dass du mit ihm einen Deal gehabt
hast? Er gewinnt bei dir, ihr teilt das Geld, du hast die Werbung und er den
Ruhm und ein bisschen Kleingeld?«
Bender sah mich erstaunt an. »Wie kommst’n darauf, Kleiner?« Er
schien mir fast ein wenig stolz auf mich zu sein.
»Bei dir gewinnt niemand, wenn du es nicht
willst. Am wenigsten marschiert er dann auch noch mit der Marie hinaus. Dort,
wo so einer hingeht, kann man nichts mehr mitnehmen.«
»Ja, das letzte Hemd, das hat keine Taschen. Da liegst du richtig.
Könnt sein, dass ich mit ihm geredet hab. Aber da ist ja nichts Böses dabei.«
»Warum hat der Slupetzky aufgehört zu spielen, so viel wird er
doch nicht behalten haben? Oder hat er dich übers Ohr gehauen?«
Fred, der hinter mir stand, lachte lauthals auf, auch Bender
schmunzelte amüsiert.
»Nein, der Slupetzky ist zu mir gekommen. Er hat mir damals den
Deal vorgeschlagen. Hat gesagt, er hätte da was in Aussicht, wofür er ein
kleines Startkapital bräuchte, danach würde er das Spielen aufgeben. Ich hab da
einfach in Öffentlichkeitsarbeit investiert. Offenbar war sein Geschäft nicht
das gesündeste.«
»Was für eine Art Geschäft war das denn?«
»Weiß ich nicht genau, irgendwas mit dem Osten, er konnte gut
Russisch und kannte da wohl noch ein paar Leute von früher. Irgendeine
Schmuggelsache.«
»Drogen? Zigaretten?«
»Ach hör auf, nein, was anderes. Was, weiß
ich aber nicht.«
»Hast du das der Polizei auch gesagt?«
»Nein, wenn ich denen sage, dass ich manipuliere, ist es aus mit
meinem Lokal! Ich bin ein alter Mann, auf dem Arbeitsmarkt heute nehmen sie
mich nicht mehr!« Bender und Fred lachten unisono, wie über einen guten Scherz.
Höflichkeitshalber stimmte ich mit ein.
»Weißt du was über seine Geschäftspartner, irgendjemand dabei, den
du kennst, oder irgendeinen Kontakt, etwas in der Hinsicht?«
»Weißt du, Kleiner, ich bin nicht die Auskunft. Warum willst du
das denn eigentlich alles wissen?«
»Ich hab in der Angelegenheit selber ein
kleines Interesse.«
»Hör doch auf mit dem Blödsinn. Wenn du Geld brauchst, komm zu
mir, ich nehm dich mit Handkuss. Ich hab mit Slupetzky nur den Deal gemacht,
seine Leute hab ich nie kennengelernt. Slupetzky war ja auch kein
Weitere Kostenlose Bücher