Papierkrieg
kann
ich Sie gerne mitnehmen und irgendwo absetzen.«
IX
Wenn
das Schicksal Regie führt, soll der Mensch nicht hineinpfuschen, und so saßen
wir zwei Minuten später in ihrem Auto und fuhren die Simmeringer Hauptstraße
stadteinwärts. Sie fuhr einen der kleinen neuen Peugeots. Wäre Sommer gewesen
und kein nasskalter März, hätte sie das Verdeck öffnen können und wir hätten
die Fahrt im Cabrio gemacht. Draußen war es bereits stockdunkel geworden und
das nächtliche Wien zog an uns vorbei. In den orangen Lichtkegeln der
Straßenlaternen waren Menschen mit eingezogenen Köpfen und hochgeschlagenen
Mantelkrägen kurz zu sehen, bis sie wieder das Dunkel verschluckte.
»Was wird nun aus Ihrem Freund?« Ich bezog mich auf den Kokser,
der sein Geld so sorglos verspielte.
»Der ist Geschichte.«
»Die Subprime-Krise wird ihn sicher holen.«
Sie lachte kurz, glockenhell und silbern. »Sie interessieren mich
wesentlich mehr. Was machen Sie so?«, versuchte sie, das Gespräch erneut
anzukurbeln.
Ich wollte gerade ansetzen, ihre Frage zu beantworten, als mein
Handy sich meldete. Ich fischte es aus der Innentasche meines Jacketts. Es war
Reichi.
»Entschuldigen Sie bitte, geschäftlich.« Sie nickte mir
gelangweilt zu.
»Ja«, sprach ich in den Hörer.
»Ich hab …«
»Nicht am Telefon«, sagte ich mehr für meine schöne Fahrerin als
für Reichi. Ein bisschen Eindruck schinden schadet nie. »Hast du Ergebnisse?«
»Ja.«
»Können wir uns heute irgendwo treffen?«
»Sicher, wann und wo?«
»Wie wär’s in der Wunderbar?«
»Ausgezeichnet.«
»Gut, in 15 Minuten?«
»Ausgezeichnet.« Reichi legte auf.
Die Dame am Steuer sah mich fragend an. »Zum Schwedenplatz, der
Herr?« In ihrer dunklen Stimme schwang eine gesunde Portion Zynismus mit.
»Das wäre nett.«
»Normalerweise bin ich kein Privattaxi.«
Was soll man sagen, wenn einem eine formvollendete Frau
Vorhaltungen macht? Mir schien das Gold des Schweigens besser als das Silber
einer möglichen Antwort.
»Na gut, ich setze Sie am Schwedenplatz ab.« Mit einem kurzen
Seitenblick zu mir: »Die Gesprächigkeit in Person sind Sie aber nicht gerade.«
Nach einer kurzen Pause. »Hallo, ist da wer zu Hause, hören Sie mir überhaupt
zu?« Langsam wurde sie ärgerlich.
»Mir geht da was im Kopf herum, würde es Ihnen etwas ausmachen,
mich kurz nachdenken zu lassen?«
Sie bremste abrupt ab und fuhr rechts ran. Wir hielten direkt
neben der Aspernbrücke. »Steigen Sie aus. Ein netter Mann hätte mich zum Dank
noch auf einen Drink eingeladen und wer weiß, vielleicht hätte ich sogar ja
gesagt. Einer mit Manieren hätte sich wenigstens mit mir unterhalten und sich
bedankt. Sie hingegen sind ein Arschloch.« Mit ihrem Kärtner ›A‹ und einer Idee
von Hauchlaut auf dem ›R‹ brachte sie mein Herz zum Schmelzen.
»Sie haben mir die Mitfahrgelegenheit angeboten, mich praktisch in
Ihr Auto gezerrt. Tut mir leid, dass ich deswegen nicht mein ganzes Leben
aufgebe, um in Dankbarkeit zu zerfließen.« Einen kurzen Augenblick war sie
baff. Dann fand sie ihre Haltung wieder.
»Raus aus meinem Wagen.« Ihre Augen funkelten und ich gehorchte.
»Und lassen Sie sich nie mehr blicken.« Sie beugte sich über den Beifahrersitz,
sodass sich ihre seidenweiße Bluse ein wenig öffnete und einen kurzen Blick auf
eine wunderschöne Brust freigab. Dann knallte sie die Tür zu und raste davon.
Es regnete noch immer, auf den Gehsteigen stand das Wasser
zentimeterhoch, und der Wind schnitt durch meinen Mantel wie ein Messer durch
Butter. Es war dunkel, nass und kalt. Ich hatte Hunger und war müde. Meine
Taschen waren leer und in der Mordsache hatte ich überhaupt keinen Durchblick.
Dazu kam erschwerend, dass ich mich geradezu spektakulär aus dem Auto der
schönsten Frau, der ich je begegnet bin, bugsiert hatte. Wenn alles andere mit
ihr genauso schön war, wie zu streiten, hatte ich die Chance meines Lebens
verpasst. Das war eine Glanzleistung gewesen, da gab es nichts zu rütteln. Ich
hatte in der 95. Minute ein Elfergeschenk eines gütigen Schiedsrichters
bekommen und vor lauter Erleichterung den Ball aus dem Stadion
hinausgeschossen. Reife Leistung.
In der Wunderbar war noch nicht allzu viel los, die Ledercouch in
der Spiegelecke war frei und ich ließ mich hineinfallen. Meine Tasche legte ich
neben mich und wartete auf die Bedienung. Inzwischen wärmte ich mich etwas auf
und hörte Musik aus den billigen Boxen, die
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