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Papierkrieg

Titel: Papierkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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ließ ihn mich
verstehen. Ich begleitete Laura zur Eingangstür, sie fischte ihre Schlüssel
heraus, ich stand ganz nah bei ihr, sie sah mir in die Augen, wir küssten uns.
Ihre Lippen waren kalt und warm zugleich, weich und fest. Der Kuss schien ewig.
Endlich löste sie sich von mir, stellte sich auf die Zehenspitzen, barg ihren
Kopf an meinem Hals und flüsterte mir ins Ohr, wobei mich ihr Atem kitzelte:
»Willst du mit hinaufkommen?«
    Ich berührte sanft ihre Wangen, sah sie fest an und schüttelte
ernst den Kopf. Ihre Augen brannten wie Feuer und sie zischte böse. Als ich den
Augenkontakt unterbrochen und einen Schritt zum Auto gemacht hatte, hörte ich
hinter mir ein leises: »Pass auf dich auf, du Idiot.« Ohne mich umzublicken,
stieg ich ins Taxi und nannte eine neue Adresse. Es war zehn vor elf und noch
immer ein guter Tag.
     

VIII
    Eigentlich
war die Taxifahrt nicht notwendig, die 200 Meter Distanz zum Debakel wären auch
zu Fuß möglich gewesen, aber ich war stolzer Besitzer von 900 Euro, minus
Frühstück, Kaffee und Abendessen. Ich war lange genug arm gewesen. Sollten doch
die misera plebs durch die nassen Straßen schleichen, ich fuhr im geheizten
Mercedes.
    Das Debakel ist ein traditionelles Studentenbeisl. Montags geht
das Murauer um drei Euro weg, die Soundauswahl schwankt zwischen grausam und
schräg, aber die Leute sind nett. Es besteht aus zwei Räumen, von denen der
vordere der größere ist. Dort ist auch die Bar zu finden und ein paar
Stehtische. Im hinteren Zimmer lehnt man an der Wand, aber dort gibt es den
Wuzzler.
    Eugen saß an der Bar und wartete auf mich bei einem Murauer. Wir
nickten einander aus der Entfernung zu und bewegten uns nach hinten, zum
Tischfußballkasten. Es hatte sich zwischen uns so eingebürgert, dass wir uns
ein- oder zweimal die Woche trafen, um am Wuzzler ein wenig zu entspannen.
Wichtig ist dabei die Wahl des Lokals und des Wochentags. Es muss genug
Publikum da sein, das einerseits zwar interessiert ist, andererseits aber nicht
zu gut, man will ja nicht mehr verlieren als unbedingt nötig.
    Was mit Eugen aber keine große Gefahr darstellt. Sein erster
Ferienjob war im Schwimmbad, mit zwölf am Tischfußballkasten. Eugen hat Finger
wie Menuhin, die Bälle kleben an seinen Stürmern. Wenn er schießt, sieht man
gar nichts, nur das blecherne Krachen der kleinen Plastikkugel an der
Torrückwand, das ist deutlich zu hören. Lange nachdem es eingeschlagen hat.
    Wir spielen aus Freundschaft und nicht aus Ebenbürtigkeit
zusammen. An guten Tagen bin ich normal, an normalen schlecht, an schlechten
außergewöhnlich.
    Am Wuzzler angekommen, legte Eugen zwei Euro auf die Glasplatte,
neben eine ganze Reihe anderer Gebote. Um nicht länger als nötig warten zu
müssen, legte ich nochmal vier Euro drauf, und wir waren die nächsten an der
Reihe.
    Eugen blickte mich fassungslos an. »Was ist los, hast du im Lotto
gewonnen?«
    »Ja, vier Euro, jetzt bin ich pleite.«
    Die Partie vor uns war zu Ende, wir stiegen ein. Ich hinten, Eugen
vorne.
    Der Plastikball rollte surrend über die glatte Oberfläche, die
Federn an den blanken Stahlstangen begannen zu singen, es roch nach Bier und
Rauch. Meine Finger an den Griffen wurden sofort schweißnass und ich war im
Spiel. Eugen spielte wieder einmal U-Boot-Kapitän und versenkte, was ihm über
den Weg lief. Asche fiel von seiner Chesterfield im Mundwinkel auf das Glas,
bis ein zarter Film der grau-weißen Flocken begann, uns die Sicht zu nehmen.
    Üblicherweise haben wir ein Verhältnis von sechs oder sieben zu
eins, wenn wir gut drauf sind, kann auch einmal ein acht zu eins herausschauen.
Heute dauerte es 13 Partien und bis viertel nach zwölf, ehe wir das erste Mal
verloren.
    Wir saßen an der Bar und Eugen rauchte gerade
eine neue Chesterfield an. Er ist gezwungen, schnell zu spielen, will er nicht
mehr Geld verrauchen, als er durchs Wuzzeln gewinnen kann. Außerdem er ist um
jede Minute Schlaf froh, denn schlafend raucht er nicht und das entlastet sein
Budget.
    »Was hast du mit der Polizei zu tun, dass die bei mir vorbeischaut
und wissen will, wann du da warst?«
    Ich erzählte Eugen so viel, wie ich für klug empfand. Er strich
sich über die Haare an seinen Schläfen, heizte eine weitere Chesterfield an und
blies den Rauch aus. Nachdem er mit drei Zügen die Hälfte der Zigarette zu
Asche verwandelt hatte, blies er den Rauch aus und begann zu sprechen. »Das
klingt aber

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