Papierkrieg
Baumwolle und ein hellblaues T-Shirt. Da es
bei ihr zu Hause wohlig warm war, ging sie barfuß. Als sie in die Küche kam,
ich war gerade dabei, die Portionen herzurichten, öffnete sie eine Flasche Wein
und schenkte uns zwei Gläser ein. Wir nahmen die Schüsseln und den Wein und
gingen ins Wohnzimmer. Dort schoben wir den kleinen Tisch von ihrer Sitzgruppe
weg und saßen auf dem flauschigen Teppich, die dampfenden Schüsseln in der
Hand.
Durch die beiden französischen Balkonfenster konnten wir hinunter
auf den nächtlich beleuchteten Hamerlingplatz sehen.
Unsere Schüsseln standen auf dem Couchtisch und Laura schmiegte
sich, mit ihrem Weinglas in der Hand, an mich. Obwohl wir das Licht gedimmt
hatten, sahen wir unsere Spiegelbilder in den Fenstern vor uns. »Du hast schöne
Bilder an den Wänden hängen«, kommentierte ich die wunderbare Aussicht.
»Ja, ich liebe Malerei. Wenn ich das Geld hätte, würde ich
sammeln. Und du, magst du auch Bilder?«
»Ich bin Philologe.«
»Wie meinen? Das war doch keine Antwort.«
»Meine Liebe gilt der Sprache. Sie ist der Kern dessen, was es
heißt, Mensch zu sein.«
»Aber Bilder sind doch auch genuin menschlicher Ausdruck, mit die
ältesten Zeugnisse der Menschheit sind Bilder. Denk nur an die Höhlenmalereien
von Lascaux.«
»Ja, aber Bilder sind nur Nebenprodukte. Wir brauchen die Sprache,
um über sie reden zu können, in der Sprache trennen wir das Erlebte vom
Reflektierten. Ohne Sprache könnten wir keine Bilder malen. Bilder sind nur ein
defizienter Ausdruck der humanitas.«
Laura nahm einen Schluck von ihrem Wein und
sah mich über den Rand ihres Glases hinweg an. Die vorwitzige Strähne fiel ihr
wieder in die Stirn, aber bevor sie im Weinglas ankam, hatte Laura sie bereits
hinter ihr Ohr geschoben.
»Aber Bilder sind schön.«
»Zweifellos. Aber auch Tiger und Gazellen, Rosen und Schnee sind
schön. Trotzdem sind sie nur Produkte der unvernünftigen, rohen Natur.«
»Du bist ein seltsames Exemplar.« Laura hob den Kopf von meiner
Schulter und setzte sich mit untergeschlagenen Beinen mir gegenüber hin. »Du
hast ein Veilchen, das aussieht wie die Augenklappe von Captain Flint, kommst
daher wie ein abgehalfterter Ganove und sprichst wie ein humanistischer
Schöngeist aus dem vorletzten Jahrhundert.«
»Captain Flint hatte keine Augenklappe. Aber sonst hast du recht.
Ich bin 200 Jahre zu spät geboren.« Ich nahm ihr das Weinglas aus der Hand und
probierte ebenfalls. Er war warm und samtig, am Glasrand konnte ich sogar einen
Hauch vom Duft von Lauras Lippenstift finden. »Sprache ist das Element von
allem Schönen, Guten und Wahren. Die Natur in uns ist das, was bestialisch und
hässlich ist.«
»Es ist unklug, so mit einer Kunststudentin
zu sprechen, wenn du mit ihr ins Bett willst.« Sie sah mich neckisch an und war
ein bisschen näher gerückt. In diesem Moment war es ganz still im Zimmer, die
Regentropfen schlugen sachte gegen die Fenster und irgendwo unten fuhr ein Auto
durch die nassen Straßen.
»Wahrheit ist keine Frage der Kalküllogik, lehrt Platon.«
»Was meinst du damit?«
»Wenn man die Wahrheit will, darf man sie nicht seinen eigenen
Interessen und Absichten unterordnen. Sonst verdirbt man sie nur.«
Einen Augenblick schien sie in ihrem weiblichen Stolz gekränkt,
der nicht so einfach hinnehmen wollte, dass ich die Wahrheit höher schätzte als
ihre Schönheit. Darum wechselte ich schnell das Thema. »Kunststudentin? Ich
dachte, du wärst Juristin.«
»Hab nebenher Kunstgeschichte studiert.«
»Fertig?«
»Ja, hat Zeit gekostet, war es aber wert.«
»Kann ich mir denken. Darum hast du damals bei Bender angefangen,
bei der Kunstsache.«
»Das hab ich dir nicht erzählt, woher weißt du das?«
»Irgendwo aufgeschnappt.«
»So so. Rein zufällig, hast nicht irgendwo nachgefragt.« Sie
dachte einen Augenblick nach. »Moment, jetzt kommt’s mir erst! Woher hast du
überhaupt gewusst, was ich heute mache?«
»Ein paar kleine Tricks. Ganz unschuldig.«
»Bei dir ist gar nichts unschuldig, und hoffentlich auch nicht
klein. Sag schon, woher hast du’s gewusst?«
Ich erzählte ihr von der Sache mit Fred.
»Fred, hätt ich mir denken können. Harte Schale, rauer Kern.«
»Jetzt hab ich dir was erzählt, jetzt hilf du mir auch ein
bisschen.«
»Du meinst wegen Meyerhöffer?«
»Ja, aber vorher will ich wissen, was das damals für eine Sache
mit Bender war. Da ging es um Kunstwerke.«
»Das
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