Papierkrieg
Echtheit überzeugt?«
»Ja. Schrift, Tinte, Schreibweisen, alles ist perfekt. Nur die
Unterlage konnte ich keiner chemischen Analyse unterziehen. Dazu bräuchte man
ein Labor, über das ich nicht verfüge.«
»Ohne chemische Analyse ist nicht zweifelsfrei bewiesen, dass es sich
um keine Fälschung handelt.«
»Wenn jemand so viel Aufwand betreibt, um die Schrift eines
antiken Schreibsklaven perfekt zu imitieren, was Jahre an Übung bedarf, wird er
auch das richtige Papyrus verwenden. Wenn es eine Fälschung sein sollte, dann
ist sie so gut, dass niemand das herausfinden kann.«
»Wie haben Sie sich die weitere Vorgehensweise vorgestellt?«
»Ich werde mit dem Besitzer Kontakt aufnehmen, danach werde ich
Sie benachrichtigen und wir können einen Besichtigungstermin vereinbaren.«
»Sie gehen ja davon aus, dass ich Interesse habe, als ob es sich
dabei um eine feststehende Tatsache handeln würde.«
»Herr Dittrich, ich sehe, was Sie hinter Ihrem Schreibtisch an der
Wand stehen haben.« Ich stand auf und ging zum Bücherschrank. »Eine Abschrift von
›De veritate‹ des Heiligen Thomas, venezianische Bände illustren Inhalts, eine
Handschrift des Satyricon, um nur die ersten drei zu nennen, die mir in die
Hand gefallen sind.«
Ich drehte mich um, Dittrich glühte vor Besitzerstolz.
»Wenn ich das zum Anhaltspunkt nehme, um zu extrapolieren, was Sie
zu Hause gelagert haben, bin ich sicher, dass sich dort auch ein paar Zeilen
aus dem Nibelungenlied finden werden, die mit denen aus St. Gallen und Stift
Melk konkurrieren können.«
»Was für einen Preis hätten Sie sich gedacht, wenn ich mich denn
bereit erklären sollte?«
»Sie wissen sehr gut selbst, was so ein Text wert sein kann. Wir
haben nicht vor, an die Schmerzgrenze zu gehen. Wir legen den Preis so, dass
Sie, wenn Sie ihn weiterverkaufen wollen, weil Sie irgendwelche
Unregelmäßigkeiten wittern, das auch noch mit einem satten Gewinn tun können.«
»Nennen Sie einen konkreten Preis.« Dittrich hatte angebissen,
nun musste ich ihm Leine geben.
»Zuerst machen wir einen Besichtigungstermin, danach werden wir
weitersehen.« Wenn ein Sammler das Knistern des Papyrus in den Ohren hört und
seine feine Oberflächentextur mit den Fingerspitzen erfühlt, all die kleinen
Details ausmachen kann, dann muss man über den Preis sprechen, nicht in
irgendeinem Büro.
»Geben Sie mir einen ungefähren Anhaltspunkt.«
»Das wäre nicht seriös. Wenn wir einen Preis nennen, dann den
endgültigen.«
Ich setzte mich wieder. Kaum hatte ich geendet, sprang Dittrich
auf, die Glut seiner Zigarre war unregelmäßig, vor Aufregung hatte er zu stark
gezogen. »Sie kommen zu mir, um mir ein gestohlenes Papyrus unterzujubeln, mit
wer weiß was für einer Vorgeschichte und sprechen von Seriosität? Machen Sie
sich nicht lächerlich, Herr Linder!«
Ich blieb ruhig sitzen, schlürfte an meinem Kaffee, er war längst
kalt.
»Wenn ich dieses Papyrus kaufe, kann ich nichts damit anfangen.
Wer weiß, wann die Polizei kommen würde!«
»Beruhigen Sie sich doch und nehmen Sie wieder Platz.«
Dittrich machte noch ein paar Schritte im Raum, bevor er sich
erneut auf seine Chaiselongue fallen ließ.
»Sie werden den Papyrus besitzen, nur Sie allein. Wenn Sie wollen,
dann können Sie auch einem ausgewählten Kreis gegenüber davon Gebrauch machen.
Wenn Sie vorsichtig sind, wird niemand Sie behelligen.«
Dittrich hing mir an den Lippen wie ein Kind seiner Oma, die ihm
Märchen erzählt. Genau das tat ich auch. »Sie sind jetzt an die 80, und bevor
irgendetwas durchsickern kann, sind Sie lange tot.«
Ich machte eine Pause. »Dafür haben Sie die letzten Jahre Ihres
Lebens mit einem echten Papyrus verbracht. Geschrieben in Alexandria,
wahrscheinlich im Skriptorium der großen Bibliothek, in der Zeit von Ptolemäus
Soters Tod. Vielleicht war es sogar eine Auftragsarbeit von ihm, er war ein
großer Liebhaber der Batrachomyomachia.«
»Gut. Abgemacht. Wann werde ich wieder von Ihnen hören?«
»Morgen oder übermorgen. Es gibt da noch einiges zu regeln. Noch
etwas. Bis das Stück in Ihrem Besitz ist, kein Wort zu niemandem.«
»Ich kann schweigen, keine Sorge.«
»Die Sorge mache ich mir nicht wegen mir, und wenn der Deal platzen
sollte, habe ich genügend andere Interessenten an der Hand. Ich bin nur um Sie
besorgt.«
»Abgemacht, kein Wort.«
Wir standen beide auf, dann schüttelten wir uns die Hände.
Dittrich begleitete mich zu
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