Papierkuesse

nach Naturgesetzen so geht, dass nur ein Bruchteil der aufgewandten Wärme – (die Wasser zu Dampf und Dampf in Kraft verwandelt) – Bewegung wird, so schadet es auch nichts, wenn nicht alle Wunschträume des Tatendurstigen greifbare Wirklichkeit werden. Besser ist es schon, nach dem All zu greifen, um dann wenigstens einen Teil zu formen, als nach dem Teil sich sehnend nur einen Bruchteil zu vollenden!
    Und hier ist der Punkt, wo die Lacher und Zweifler einhaken! Nicht nur weil die Zweifler oder auch die Pessimisten meistens Recht haben; sondern hier treffen sich die Lebensangst des Kleinbürgers mit der Sehnsucht des Spießers nach Spezialisten – jenem Menschen, der wenig, aber das dann sehr gut kann! Schuster, bleib bei Deinen Leisten, schreit die ganze Welt und meint: ich will bei meinen Leisten bleiben, denn sicher ist sicher!
    Abgesehen davon, dass die Zukunft von allen Menschen das Hereinkosten in verschiedene Berufe fordern wird (Ansätze sind schon da), gab es immer Menschen:
E. T. A. Hoffmann
war Richter, schrieb Bücher und sein Lebensziel war die Musik.
Schliemann
träumte davon, die Stadt Troja, die in den Sagen lebte, zu finden; wurde Großkaufmann, um das Geld für diese Arbeit zu erwerben, und ging im Alter von fast 50 Jahren an diesverlachte Werk. Und er fand nicht nur Troja, sondern noch sieben Städte unter ihr; Franzi soll versuchen im Buchhandel oder bei Bekannten Dir das Buch zu besorgen:
Albert Schweitzer
: »Zwischen Wassern und Urwald«. Dieser Mann wird Arzt, bekämpft das gelbe Fieber in Afrika, kommt heim, wird Schriftsteller und Philosoph, um sich immer mehr der Musik zuzuwenden, und ist heute Organist im Dom zu Straßburg. 15
    Du siehst, ich will Dir auf Deinen Wegen folgen und werde Dich fördern, wo ich kann. Was Du zu leisten hast für jedes Ziel, das hat mein letzter Brief Dir schon gesagt. Ein Bedenken will ich Dir aber jetzt schon sagen: die schönsten Menschheitsberufe sind der Helfer in seelischer Not – der Erzieher, und der Helfer in körperlicher Not – der Arzt. Helfen aber kann nur der, der sich mit seinem ganzen Wesen‚ wie ein Besessener bis zur Selbstaufopferung einsetzt. Ein Fanatiker, ein Berufener! Kann man da aus einem Beruf heraus in einen anderen herüberwechseln? Ja, der Kaufmann kann zum Forscher werden, des Forschers Weg führt vielleicht zu Gott?! Das muss erlebt werden!
    Dann: nicht in den Gesamtrahmen passt mir der Schauspieler! Erstens weil zum wirklichen Schauspieler vielleicht noch mehr begeisterte Leidenschaft gehört als zum Arzt und Erzieher (man wird nicht so zum Schauspieler wie Freund Olaf!) und zweitens weil in normalen Zeiten gerade dieser Beruf der schlechtest bezahlte, sprichwörtlich bekannte Hungerleiderweg ist, der nur in den seltensten Fällen und dann meistens erst recht spät zum Ruhm und damit verbunden zum materiellen Erfolg führt. Vielleicht müsstest Du also beiBeibehaltung des Gesamtplanes von anderswo starten!! Wir werden uns über dieses Thema noch öfter sprechen. Heute muss ich sorgen, dass der Brief nicht ins Unendliche wächst!
    Also mein geliebter alter Freund, nochmals alles Gute, sei heute recht fröhlich und iss viel und guten Kuchen mit Franzi, Barra und den Freunden.
    Viele Küsse von Papa.
     
    Liebe Franzi! Ihnen muss ich zu Pilas Geburtstag gratulieren und Ihnen auch danken für alles, was Sie an ihm Gutes tun. Hoffentlich habt Ihr einen lustigen unbeschwerten Tag, so wie Sie dies so richtig zu machen verstehen. Stellt mein bestes »Bild« auf, damit ich ganz bei Euch bin.
    Herzlichst PM.
     
    Meine süße geliebte olle Nudel! Vorerst will ich Dir für Deinen Geburtstagsbrief danken und für die Zeichnung. Beide waren recht schön und ich fand es besonders lieb von Dir, dass Du die Sonne mit Schnurrbart gezeichnet hast, so, dass sie aussieht wie ein dicker Papa. Und den Riesenschmetterling habe ich beneidet, weil er so schön fliegt über Wasser und bunten Tulpen. An seiner Stelle flöge ich jetzt zu Euch, um bei Pilas Geburtstag dabei zu sein. Wer weiß aber, wie es einem Schmetterling so ergeht? Ein hungriger Vogel schießt durch die Luft – und wupp, schon ist er gefressen. Kaum, dass man Mahlzeit sagen konnte! Da ziehe ich es doch lieber vor, solche Wünsche fahren zu lassen und bin überzeugt, dass Franzi und Du schon alles tunwerdet, um Pilas Geburtstag schön und lustig zu machen. Du hast ihm sicher was Schönes gekauft, und Du musst mir im nächsten Brief alles über diesen Tag erzählen. Du musst