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Papierkuesse

Papierkuesse

Titel: Papierkuesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pali Meller
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Menschen
gebrochen!!
Dann kann er nicht mehr umsatteln auf einen anderen Beruf, um den Kampf neu zu beginnen, denn er hat
dort
versagt, wo der Scheideweg zwischen Beruf und Berufung die Gemüter trennt! Anders ist es, wenn ich mitten im Kampf um ein hohes Ziel erkenne, dass mein Pferd (mein gewählter Beruf) nicht schnell und stark genug ist, um mich zum Sieg zu führen, ich auf ein anderes schnelleres springe, das eher für die Verwirklichung meiner Ziele bürgt. So kann ein Naturforscher zum reinen Denker, zum Philosophen werden, auf dem Wegvom Einmaligen zum Allgemeinen. So kann der Architekt zum Maler werden, weil das Baumaterial nicht geschmeidig genug war das auszudrücken, wes sein überströmendes Herz erfüllt war! Verstehst Du nun, wo Dein Irrtum liegt? Aufs kleine 1 x 1 folgt das Große und von hier bis zur Differential- und Integralrechung baut sich das Riesenreich der Mathematik; von hier ab wird sie erst zur Wissenschaft. Und wo ist das Ende? Vielleicht ist aller Anfang wie alles Ende nur bei Gott? Wenn Du mir also z. B. sagst: »mein Lebensziel ist es, viel Geld zu verdienen und ich nehme mir vor, für den Fall, dass es mit Pferdehandel nicht geht, es mit Pelztierzucht zu versuchen ohne die Möglichkeit, als Wünschelrutengänger zu gehen, außer acht zu lassen« – so sage ich: »bitte schön!« Wenn Du mir sagst: »Mein Lebensziel ist es, mit all meiner Kraft und Liebe zu helfen, so gut ich kann; und will es sogar auf mich nehmen, 2 mal meinen Beruf zu wechseln, wenn ich sehe, dass ich dieses Ziel auf anderem Weg vollendeter erreiche!« so sage ich: »bitte schön!« Nicht aber sage ich »bitte schön«, wenn man den Wechsel aus Prinzip oder aus Missverständnis der wahren Zielsetzung vornimmt! Das Ziel ist alles, der Weg nichts!! Damit schließt heute dieser Brief, den Du öfter wirst lesen müssen, bis Du genau siehst, was ich Dir zeigen wollte. Auf andere Punkte Deines Briefes komme ich noch.
    Viele Küsse von Palipapa.
    Geliebte gute Barra! Wenn Du meinen Brief erhältst, hast Du schon Ferien, hast schon Dein Zeugnis und bist schon beinahe Schülerin der zweiten Klasse. Das Jahrist um! Ein tolles Jahr für Dich! Vor 9 Monaten ging so ein Tütenmädchen in Franzis Begleitung den Berg hinauf zur Schule, bewaffnet mit Tafel, Griffel und Schwamm, wurde dort im Zauberkessel von Herrn Faust gesotten, geschmort und gebraten, um dann nach dieser Zeit allein den Berg herunterzukommen als gebildete Dame, die mit Tinte dem Papa Briefe schreibt, liest und rechnet! Ich weiß, dass der Zauberstab des Herrn Faust versagt hätte, wenn Du Dich nicht angestrengt hättest, um alles zu lernen, was er Euch zeigte – und so ist der Sieg Euer gemeinsamer Sieg, und die Ferien verdient er so gut wie Du! Ich müsste ihm für seine Arbeit danken (vielleicht tut das Franzi auch für mich), auf Dich aber will ich stolz sein, wie dies nur verliebte Papas können. Über Dein Zeugnis höre ich wohl im nächsten Brief! Salto vom Stuhl machst Du jetzt? Sitzt der Arabersalto schon ganz? Oder ist das nicht nötig dazu? Bei uns ist es so kalt, dass ich seit Tagen zwei Pullover anhabe und mich nachts mit dem Wintermantel zudecken muss. Hoffentlich bleibt Ihr bei diesem Narrenwetter gesund. Sei geküsst und umarmt von Deinem Papa. Liebe Franzi! Bitte um einige ungefütterte Kuverts mit 8 Pf. Briefmarken drauf. Schwarze
Kreide
brauche ich nicht mehr denn das Mitgebrachte war bereits Kreide. Also nur
weiße
und den Block + 1 Wischer!!
     
    Herzlichst PM.

[15]
    Bln. Plötzensee, den 18.   7.   42
     
    Meine Lieben! Eine Reihe nicht sehr glücklicher Ereignisse brachte es mit sich: 1.) dass ich seit Eurem Brief vom l. Juli keine Nachricht von Euch habe, 2.) dass meine beiden Briefe vom 6. und 12.7. an mich zurückkamen. Hoffentlich bedeutet dies nicht eine Unterbindung unseres Briefwechsels. Macht es auf alle Fälle so, dass Ihr mir wöchentlich kurze (normale vierseitenlange) Briefe schreibt. Ich will kurz auf den Inhalt meiner zwei Briefe eingehen. Im Brief vom 6., Pila, schimpfte ich ein wenig über Deine hässliche Schrift, die vielen Schreibfehler und die verworrene Satzbildung. Ich empfahl Dir, bevor Du schreibst ein Konzept (ins »Unreine«) zu machen und dieses so durchzuarbeiten, zu verdichten und zu polieren, dass der halbfertige Gedankenerguss, der vorher 24 Seiten erfüllte, ohne an Deutlichkeit zu gewinnen, in zwei bis drei Seiten wie geschliffenes Kristall klar und leuchtend vor einem liegt. Ich wies darauf hin, dass

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