Papillon
streng verboten, die Isolierkammern zu betreten, aber Chatal hat die Sache auf sich genommen, und unser Freund konnte in unseren Armen sterben. Ich habe ihm die Augen zugedrückt. Maturette war in Schmerz aufgelöst.
»Jetzt ist er von uns gegangen, der Gefährte unseres so schönen Abenteuers. Sie haben ihn den Haifischen vorgeworfen.«
Als ich die Worte hörte: »Sie haben ihn den Haifischen vorgeworfen«, hat’s mich gefröstelt. Wahrhaftig, es gibt keinen Friedhof für die Sträflinge auf den Inseln. Wenn ein Zwangsarbeiter stirbt, wirft man ihn um sechs ins Meer, bei Sonnenuntergang, zwischen Saint-Joseph und Royale, an einem Ort, wo es von Haifischen wimmelt. Der Tod meines Freundes macht mir das Spital unerträglich. Ich lasse Dega mitteilen, daß ich es übermorgen verlassen werde. Er schickt mir eine Nachricht: »Bitte Chatal, daß er dir vierzehn Tage Erholung im Lager geben läßt, so wirst du Zeit haben, dir den Posten zu wählen, der dir gefällt.«
Maturette wird noch einige Zeit hierbleiben, vielleicht nimmt ihn Chatal als Hilfssanitäter.
Kaum verlasse ich das Spital, da führt man mich schon zum Verwaltungsgebäude und vor den Kommandanten Barrot, den »Harten Knochen«.
»Papillon«, sagt er, »bevor wir Sie ins Lager überstellen, habe ich vor, ein wenig mit Ihnen zu plaudern. Sie haben hier einen wert vollen Freund, meinen Hauptbuchhalter Louis Dega. Er behauptet, daß Sie nicht die Beurteilung verdienen, die uns von Frankreich zugekommen ist, und daß es, da Sie sich für einen unschuldig Verurteilten halten, ganz normal ist, wenn Sie sich in ständiger Revolte befinden. Offen gesagt, über diesen Punkt bin ich mit Ihnen nicht ganz einig. Was ich gerne wissen würde, wäre, in welcher Verfassung Sie sich augenblicklich befinden.«
»Herr Kommandant, könnten Sie mir, bevor ich Ihnen darauf antworte, sagen, was in meinem Akt alles steht?«
»Sehen Sie selbst.« Er reicht mir ein gelbes Karteiblatt, auf dem ich ungefähr folgendes lese:
»Henri Charrière, genannt Papillon, geboren den 16. November 1906 in …, Ardeche, vom Schwurgericht in Paris für vorsätzlichen Mord zu lebenslanger Zwangsarbeit verurteilt. Gefährlich in jeder Hinsicht, streng zu bewachen, kein begünstigter Arbeitsposten.
Zentrale Caen: Unverbesserlicher. Fähig zur Anzettelung und Führung von Revolten. Unter ständiger Beobachtung zu halten.
Saint-Martin-de-Rè: Diszipliniertes Subjekt, übt jedoch großen Einfluß auf seine Kameraden aus. Wird, wo immer, Fluchtversuche unternehmen.
Saint-Laurent -du-Maroni: Hat einen rohen Überfall auf drei Aufseher und einen Wächter unternommen, um aus dem Spital zu flüchten. Kehrte aus Kolumbien zurück. Gute Führung während der Untersuchungshaft.
Verurteilt zu zwei Jahren leichter Korrektionshaft.
Korrektionsanstalt Saint Joseph: Gute Führung bis zur Freilassung.«
»Freund Papillon«, sagt der Direktor, als ich ihm das Karteiblatt zurückgebe, »wir sind somit nicht gerade überzeugt, Sie nur als Pensionär unter uns zu haben. Wollen wir einen Pakt schließen?«
»Warum nicht? Es hängt vom Pakt ab.«
»Sie sind ohne Zweifel ein Mann, der alles daransetzen wird, von den Inseln zu flüchten. Trotz der großen Schwierigkeiten. Vielleicht gelingt es Ihnen sogar. Was mich anlangt, so bleibe ich noch fünf Monate auf dem Direktionsposten der Inseln. Wissen Sie, was eine Flucht den Kommandanten der Inseln kostet? Ein Jahr normales Gehalt. Das heißt kompletter Verlust der Kolonialzulage; um sechs Monate verspäteter Abschied und um drei Monate weniger Zulage. Und je nach den Untersuchungsergebnissen, wenn es sich um eine Fahrlässigkeit von Seiten des Kommandanten handelte, möglicherweise auch noch Verlust eines Streifens.
Sie sehen, es ist ernst. Aber wenn ich meine Arbeit ehrlich tue, so habe ich nicht das Recht, Sie in eine Zelle oder in den Bunker zu stecken, weil Sie eines Fluchtversuches fähig sind. Ich müßte mir wenigstens irgendein Vergehen ausdenken. Und das möchte ich nicht. Daher hätte ich gerne Ihr Wort, daß Sie bis zu meiner Abreise von den Inseln keinen Fluchtversuch unternehmen. Fünf Monate lang.«
»Ich gebe Ihnen mein Wort, Herr Kommandant, daß ich mich nicht davonmache, solange Sie hier sein werden, wenn es nicht sechs Monate überschreitet.«
»Ich gehe in weniger als fünf Monaten weg, das ist absolut sicher.«
»Sehr gut. Fragen Sie Dega, er wird Ihnen sagen, daß ich mein Wort halte.«
»Ich glaube Ihnen.«
»Aber als Gegenleistung
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