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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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erscheinen, schön aufgeschichtet wie in einem Pariser Fleischerladen, Beefsteaks, ein ganzes Tablett voll.
    Grandet scheint täglicher Kunde zu sein: er wird nicht gefragt, ob er Beefsteaks will, nur wie viele.
    »Fünf.«
    »Vom Hinteren oder von der Schulter?«
    »Vom Hinteren.«
    »Wieviel schulde ich dir? Gib mir die Rechnung. Denn jetzt, wo wir einer mehr sind, wird es nicht gleichbleiben.«
    Der Beefsteakverkäufer zieht sein Heft heraus und beginnt zu rechnen:
    »Es macht fünfunddreißig Franc, alles Inbegriffen.«
    »Zahl dir’s vom Konto, und beginnen wir bei Null.«
    Nachdem der Mann weg ist, sagt Grandet zu mir: »Wenn du hier keinen Flachs hast, krepierst du. Aber wir haben ein System, um sie jederzeit zu haben: die ›Masche‹.«
    Bei den Schweren heißt »Masche« die Art, wie ein jeder es zustande bringt, sich mit Geld zu versehen. Der Lagerkoch verkauft als Beefsteaks das reine Fleisch, das für die Gefangenen bestimmt ist. Wenn er es in die Küche bekommt, schneidet er ungefähr die Hälfte weg. Je nach den Stücken bereitet er Beefsteaks zu, das Fleisch fürs Ragout und das zum Kochen. Ein Teil wird über die Frauen an die Aufseher verkauft, ein Teil an die Strafgefangenen, die genug Geld haben, es zu kaufen. Selbstverständlich gibt der Koch einen Teil von seinem Verdienst an den jeweiligen Aufseher der Küche ab. Der erste Bau, wo er sich mit seiner Ware zeigt, ist immer der von der Spezialgruppe, Bau A: der unsere.
    Die »Masche« besteht also darin: der Koch verkauft das Fleisch und das Fett; der Bäcker verkauft Brot, das nur in seiner Einbildung existiert, und Weißbrot, das für die Aufseher bestimmt ist; der Fleischer, der das Fleisch zu liefern hat, verkauft es nebenbei; der Sanitäter verkauft Injektionen; der Buchhalter erhält Geld dafür, daß er dem oder jenem einen günstigen Posten zuschanzt, oder einfach nur dafür, daß er dich von einer Arbeitsgruppe befreit; der Gärtner verkauft frisches Gemüse und Früchte; der Sträfling, der im Laboratorium beschäftigt ist, verkauft die Ergebnisse von Analysen und geht so weit, falsche Tuberkulöse zu fabrizieren, falsche Lepröse und so weiter; Diebsspezialisten in den Aufseherhäusern verkaufen Eier, Hühner und Seife aus Marseille; die »Hausburschen« (auch Haussöhne) treiben Handel mit den Hausfrauen, wo sie arbeiten, und schaffen herbei, was man will: Butter, Kondensmilch, Milchpulver, Thunfischkonserven, Sardinen, Käse, und selbstverständlich Weine und sonstigen Alkohol (daher gibt es in meiner Hütte immer eine Flasche Ricard und englische oder amerikanische Zigaretten); diejenigen, die das Recht zum Fischen haben, verkaufen ihren Fisch und ihre Krabben.
    Aber die beste »Masche«, auch die gefährlichste, ist die, Spielhalter zu sein. Die Regel besagt, daß es pro Bau von hundertzwanzig Mann nicht mehr als drei oder vier Spielhalter geben darf. Wer sich entschließt, die Spieler an sich zu reißen, stellt sich eines Nachts während der Spielpartie vor und sagt: »Ich möchte den Platz des Spielhalters einnehmen.«
    Man antwortet ihm: »Nein.«
    »Ihr alle sagt nein?«
    »Alle.«
    Also wählt man einen von den Spielhaltern, um seinen Platz zu bekommen. Der Soundso hat verstanden. Er erhebt sich, geht in die Saalmitte, und die beiden beginnen ein Messerduell. Wer gewinnt, wird Spielhalter.
    Die Spielhalter heben fünf Prozent von jedem gewonnenen Spiel ein.
    Die Spiele sind eine Gelegenheit für andere kleine »Maschen«. Da gibt es den, der die Spieltücher festspannt, den, der ganz kleine Schemel an diejenigen Spieler vermietet, die sich nicht mit gekreuzten Beinen auf ihren Hintern setzen können, oder den Zigarettenverkäufer. Der verteilt auf dem Spieltuch mehrere leere Zigarrenschachteln, voll mit französischen, englischen, amerikanischen Zigaretten, sogar selbstgedrehte gibt es. Jede Zigarette hat ihren Preis, und der Spieler bedient sich selber, peinlich genau den vorgeschriebenen Preis in die Schachtel einzahlend. Es gibt auch den, der die Petroleumlampen vorbereitet und darüber wacht, daß sie nicht allzusehr rußen. Es sind aus Milchkonserven gemachte Lampen, deren Deckel durchbohrt ist für einen Docht, der sich mit Petroleum ansaugt und häufig gewechselt werden muß. Für die Nichtraucher gibt’s Bonbons und Kuchen, die ebenfalls das Ergebnis einer besonderen »Masche« sind. Jeder Bau hat einen oder zwei Kaffeeköche. Auf seinem Platz, bedeckt mit zwei Jutesäcken, wird der Kaffee die ganze Nacht über warm

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