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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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Milchkaffee, Schokolade, aus echtem Kakao gemacht. Alle Welt will uns irgend etwas geben. Clousiot bekommt vom Sanitäter eine Kampferspritze und Adrenalin fürs Herz. Ein sehr magerer Schwarzer sagt: »Sanitäter, gib ihm meine Vitamine, er hat sie nötiger als ich.« Es ist wirklich rührend, diese Demonstration solidarischer Gutmütigkeit uns gegenüber.
    Pierre, der aus Bordeaux, sagt mir: »Willst du Flachs? Bevor du nach Royale wegkommst, habe ich Zeit für eine Sammlung.«
    »Nein, danke vielmals, ich habe welchen. Du weißt, daß ich nach Royale komme?«
    »Ja, der Buchhalter hat’s uns gesagt. Ihr alle drei. Ich glaube sogar, daß ihr drei ins Lazarett kommt.«
    Der Sanitäter ist ein korsischer Bergbandit. Er heißt Essari. Ich habe ihn noch gut kennengelernt, ich werde seine ganze Geschichte erzählen, sie ist wirklich interessant. Die zwei Stunden in der Krankenstation sind schnell vergangen. Wir haben gut gegessen und gut getrunken. Erholt und zufrieden brechen wir nach Royale auf. Clousiot hat fast die ganze Zeit über die Lider geschlossen gehalten, außer wenn ich mich ihm näherte und ihm die Hand auf die Stirn legte. Dann öffnete er seine schon verschleierten Augen und sagte:
    »Freund Papi, wir sind echte Freunde.«
    »Mehr als das, wir sind Brüder«, antwortete ich.
    Immer nur mit einer einzigen Wache, steigen wir zum Meer hinunter. In der Mitte die Tragbahre mit Clousiot, rechts und links Maturette und ich. Am Lagertor sagen uns die Sträflinge »Auf Wiedersehen« und wünschen uns Glück. Wir danken ihnen trotz ihrer Proteste. Pierrot, der Verrückte, hat mir einen Beutel um den Hals gehängt, voll mit Tabak, Zigaretten, Schokolade und Nestle-Milchkonserven. Maturette hat auch einen bekommen. Er weiß nicht, von wem. Nur der Sanitäter Fernandez und die Wache begleiten uns zum Kai.
    Fernandez gibt jedem von uns ein Papier für das Lazarett von Royale. Ich höre, daß es die SanitäterHäftlinge Essari und Fernandez sind, die, ohne den Arzt zu fragen, uns pflegen. Da ist das Boot. Sechs Ruderer, hinten zwei Wachen, mit Gewehren, und einer vorne. Einer von den Ruderern ist Chapar, vom Börsengeschäft in Marseille. Na also, auf Fahrt. Die Ruder tauchen ins Wasser, und während er rudert, sagt mir Chapar:
    »Geht’s, Papi? Hast du immer deinen Sprit bekommen?«
    »Nein, seit vier Monaten nicht.«
    »Ich weiß, es gab einen Unfall. Der Kerl hat sich gut gehalten. Er hat nur mich gekannt, aber er hat mich nicht verpfiffen.«
    »Was ist aus ihm geworden?«
    »Tot.«
    »Nicht möglich. Wieso?«
    »Es scheint, hat ein Sanitäter gesagt, man hat ihm mit einem Fußtritt die Leber zerrissen.«
    Wir legen am Kai von Royale an, der wichtigsten der drei Inseln. Die Uhr an der Bäckerei zeigt drei. Die Nachmittagssonne ist stark, sie blendet mich und ist mir zu heiß. Eine Wache verlangt zwei Krankenträger.
    Zwei Sträflinge, kräftig, tadellos in Weiß gekleidet, jeder mit schwarzen Lederfäustlingen, heben Clousiot wie eine Feder hoch, und wir marschieren hinter ihm drein, Maturette und ich. Eine Wache, mit einigen Papieren in der Hand, geht hinter uns.
    Der Weg, mehr als vier Meter breit, ist aus Kieselsteinen. Schwer, ihn hinaufzusteigen. Glücklicherweise bleiben die Krankenträger von Zeit zu Zeit stehen und warten auf uns. Da setze ich mich auf einen Baum neben den Kopf von Clousiot und lege ihm zart die Hand auf die Stirn und auf den Kopf. Er lächelt jedesmal, öffnet die Augen und sagt: »Mein alter Papi!«
    Maturette nimmt seine Hand.
    »Bist du’s, Kleiner?« murmelt Clousiot.
    Er scheint unaussprechlich glücklich zu sein, uns neben sich zu spüren. Bei einem Halt, kurz bevor wir da sind, begegnen wir einer Gruppe, die zur Arbeit geht. Es sind fast alles Sträflinge aus meinem Zug. Im Vorbeigehen sagen sie uns jeder ein gutes Wort. Als wir auf der Höhe ankommen, vor einem viereckigen weißen Gebäude, sehen wir die Gottobersten der Insel, im Schatten sitzend. Wir nähern uns dem Kommandanten Barrot, genannt »Harter Knochen«, und anderen Gefängnischefs. Ohne aufzustehen und ohne jede Zeremonie sagt der Kommandant zu uns:
    »Na, war’s nicht zu hart im Bau? Und der da auf der Bahre, wer ist das?«
    »Es ist Clousiot.«
    Er guckt ihn an, dann sagt er: »Führt sie ins Lazarett. Wenn sie wieder herauskommen, gebt mir Bescheid.
    Damit sie mir vorgeführt werden, bevor man sie ins Lager bringt.«
    Im Lazarett bringt man uns in einem großen, sehr hellen Saal, in ganz sauberen Betten mit

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