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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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glaubt, daß sich ein korsischer Senator seiner annimmt.
    Jetzt komm ich an die Reihe. Ich frage sie nach den günstigsten Stellen, wo man hier ausbrechen kann.
    Allgemeines Zetergeschrei. Für Dega ist es eine Frage, die ihm nicht einmal als Idee in den Kopf gekommen ist. Ebenso für Galgani. Chatal seinerseits glaubt, daß ein Garten Vorteile böte, um ein Floß zu bauen.
    Grandet hingegen bietet mir etwas anderes an – er ist als Schmied bei der Zwangsarbeit eingeteilt. Es ist eine Werkstatt, wo es, wie er mir versichert, alles gibt: Maler, Tischler, Schmiede, Maurer, Spengler, an die hundertzwanzig Mann. Sie ist dazu da, die Gebäude der Gefängnisverwaltung in Ordnung zu halten. Dega, der Hauptbuchhalter ist, wird mir jeden Posten verschaffen, den ich will. Ich brauche nur zu wählen. Grandet bietet mir die Hälfte seines Postens als Spielhalter an, so daß ich an den Spielern verdienen würde und gut leben könnte, ohne das Geld aus meinem Stöpsel auszugeben. Nach alldem sehe ich, daß die Sache zwar recht interessant, aber außerordentlich gefährlich ist.
    Der Sonntag verging überraschend schnell. »Was, schon fünf?« sagt Dega, der eine schöne Uhr trägt. »Wir müssen ins Lager zurück.« Im Weggehen gibt mir Dega fünfhundert Franc fürs Pokerspiel, denn in unserem Saal steigen manchmal schöne Partien. Grandet gibt mir ein prachtvolles Schnappmesser, in das er selbst die Stahlklinge eingelassen hat. Eine fürchterliche Waffe.
    »Sei immer bewaffnet, Tag und Nacht.«
    »Und die Durchsuchungen?«
    »Die meisten Aufseher, die das machen, sind Araber. Wenn ein Mann als ein gefährlicher angesehen wird, finden sie niemals eine Waffe bei ihm, selbst wenn sie sie spüren.«
    »Wir sehen uns im Lager wieder«, sagt Grandet.
    Bevor er geht, sagt mir Galgani, daß er mir schon einen Platz in seinem Winkel reserviert hat und daß wir uns gemeinsam eine »Hütte« schaffen. (Die Mitglieder einer Hütte essen zusammen, und das Geld des einen gehört allen.) Dega schläft nicht im Lager, sondern in einem Zimmer des Verwaltungsgebäudes.
    Nun sind wir also drei Tage da, aber weil ich meine Nächte neben Clousiot verbringe, habe ich wenig vom Leben in diesem Spitalssaal wahrgenommen, wo wir an die sechzig Mann sind. Dann, weil es um ihn sehr schlecht steht, isoliert man Clousiot in einem Raum, wo sich schon ein Schwerkranker befindet. Chatal füttert ihn mit Morphium. Er hat Angst, daß er die Nacht nicht überleben wird.
    Im Saal sind die Betten – dreißig an jeder Seite des drei Meter breiten Ganges – fast alle belegt. Zwei Petroleumlampen beleuchten das Ganze. Maturette sagt mir: »Dort drüben spielen sie Poker.« Ich gehe zu den Spielern hin. Es sind ihrer vier.
    »Kann ich den fünften machen?«
    »Setz dich. Geringster Einsatz im Topf – hundert Franc. Drei Töpfe fürs Mitspielen, also dreihundert Franc.
    Hier sind dreihundert Franc in Jetons.«
    Ich gebe zweihundert davon Maturette zum Aufbewahren. Ein Pariser mit Namen Dupont sagt zu mir: »Wir spielen nach der englischen Regel, ohne Joker. Kennst du’s?«
    »Ja.«
    »Dann gib, dir zu Ehren.«
    Ich gebe. Die Schnelligkeit, mit der diese Männer spielen, ist einfach unfaßbar. Die Ansage muß äußerst rasch gehen, sobald der Spielhalter sagt: »Kein Mitsetzen mehr!«, ist es zu spät. Ich entdecke eine ganz neue Sorte von Häftlingen: die Spieler. Sie leben vom Spiel, für das Spiel, im Spiel. Nichts interessiert sie als spielen. Sie vergessen alles: was sie waren, ihre Strafen, was sie tun könnten, um ihr Leben zu verändern, ob der Partner ein guter Kumpel ist oder keiner – einziges Interesse: spielen.
    Wir haben die ganze Nacht beim Spiel verbracht. Erst beim Kaffee haben wir aufgehört. Ich habe tausenddreihundert Franc gewonnen. Als ich zu meinem Bett hingehe, kommt Paolo auf mich zu und bittet mich, ihm zwei Hunderter zu borgen, damit er ein Zweierspiel fortsetzen kann. Er braucht die zwei Hunderter, denn er hat nur hundert. »Nimm. Da hast du dreihundert. Wir gehen auf halbe«, sage ich ihm.
    »Danke, Papillon, du bist wirklich der Kumpel, wie die andern es sagen. Wir werden Freunde sein.« Er reicht mir die Hand, ich drücke sie fest, und er geht ganz vergnügt weg.
    Clousiot ist an diesem Morgen gestorben. Am Vorabend, einen Augenblick lang bei klarem Bewußtsein, hatte er zu Chatal gesagt, er möge ihm kein Morphium mehr geben: »Ich möchte bei Sinnen sterben, in meinem Bett sitzend, mit meinen Freunden an der Seite.«
    Es ist

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