Papillon
gelingt, ihr nicht frei sein werdet.«
»Wir wollen uns vor allem rächen, und jetzt, wo du uns erklärt hast, daß es unmöglich sein wird, von einem Land aufgenommen zu werden, nun dann gehen wir eben in die Wildnis und bilden eine Bande im Urwald.«
»Ich gebe euch mein Wort, nicht einmal mit meinem besten Freund über die Sache zu sprechen.«
»Da sind wir sicher.«
»Gut, noch eine letzte Sache: Gebt mir acht Tage vorher Bescheid, damit ich nach Saint-Joseph komme, wenn es losgeht.«
»Du wirst rechtzeitig Bescheid haben, damit du die Insel wechseln kannst.«
»Kann ich nichts tun, um euch diese Idee auszutreiben? Wollt ihr nicht eine andere Sache mit mir ausknobeln? Zum Beispiel vier Gewehre stehlen und eines Nachts den Bootswächter überfallen, ohne jemanden zu töten, das Boot nehmen und zusammen flüchten?«
»Nein. Wir haben zu viel gelitten. Das wichtigste für uns ist die Rache, selbst um den Preis unseres Lebens.«
»Und die Kinder? Die Frauen?«
»Das ist alles dieselbe Brut, sollen sie alle krepieren.«
»Also Schluß damit.«
»Wünschst du uns nicht mal Glück?«
»Nein. Ich kann nur sagen, verzichtet darauf, es gibt Besseres zu tun als diese Schweinerei.«
»Du gestehst uns also nicht das Recht auf Rache zu?«
»Doch, aber nicht an Unschuldigen.«
»Gute Nacht. Wir haben nichts gesagt, einverstanden, Papi?«
»Einverstanden.«
Und Hautin und Arnaud verschwinden. Eine absurde Geschichte. Die sind wahnsinnig, so etwas anzuzetteln!
Schon jetzt sind fünfzig oder sechzig Männer in die Sache hineingezogen, und zur Stunde X werden es über hundert sein. Keiner meiner Freunde hat mir einen Ton davon gesagt, diese beiden schweren Burschen haben sicher nur mit denen im Bunker gesprochen, möglich, daß nur die aus der engsten Clique mit drin sind. Das ist gefährlich, denn das sind die wirklichen Totschläger, die echten Mörder, bei den anderen ist das nicht so.
In dieser Woche holte ich sehr vorsichtig Erkundigungen über Arnaud und Hautin ein. Arnaud ist, anscheinend ungerechterweise, zu Lebenslänglich verurteilt, für eine Sache, für die er höchstens zehn Jahre verdient hätte. Die Geschworenen haben ihn nur deswegen so schwer verurteilt, weil sein Bruder ein Jahr vorher wegen Mord an einer Dirne geköpft worden war. So wurde er auf Grund der Tatsache, daß der Staatsanwalt, um eine feindliche Atmosphäre zu erzeugen, mehr von seinem Bruder als von ihm selbst sprach, zu dieser schrecklichen Strafe verurteilt. Er soll auch während seiner Haft furchtbar gefoltert worden sein, vor allem wegen der Tat seines Bruders. Hautin hat niemals die Freiheit gekannt, er ist seit seinem neunten Lebensjahr gefangen. Bevor er mit neunzehn Jahren die Besserungsanstalt verlassen sollte, brachte er am Vorabend seiner Freilassung einen Kerl um, weil er zur Marine wollte, wozu er sich schon verpflichtet hatte, um aus der Besserungsanstalt herauszukommen. Er muß etwas verrückt sein, denn offenbar hatte er die Absicht, auf diese Weise nach Venezuela zu kommen, in einer Goldmine zu arbeiten und dort dann ein Bein loszuwerden, damit er eine große Summe Schadenersatz erhält. Dieses Bein ist jetzt steif infolge einer Injektion, die er sich freiwillig, ich weiß nicht, mit was für einem Mittel, in Saint-Martin-de-Rè gegeben hat. Heute morgen beim Appell rufen sie plötzlich Arnaud, Hautin und den Bruder von meinem Freund Matthieu Carbonieri heraus. Matthieus Bruder Jean ist Bäcker, daher unten am Kai in der Nähe der Boote.
Die drei wurden ohne Erklärung und ohne offensichtlichen Grund nach Saint-Joseph gebracht. Ich versuche was zu erfahren. Nichts sickert durch, immerhin ist Arnaud schon seit vi er Jahren im Waffenlager und Jean Carbonieri seit fünf Jahren Bäcker. Es kann also nicht reiner Zufall sein. Es muß einen Fluchtversuch gegeben haben, aber welche Art Flucht und bis wohin?
Ich beschließe, mit meinen drei intimsten Freunden zu sprechen: Matthieu Carbonieri, Grandet und Galgani.
Keiner von ihnen weiß etwas. Hautin und Arnaud haben demnach nur mit den Schweren gesprochen, die nicht aus unserem Kreis sind.
»Warum haben sie dann mit mir gesprochen?«
»Weil alle Welt weiß, daß du um jeden Preis fl üchten willst.«
»Immerhin nicht um diesen Preis.«
»Sie haben da keinen Unterschied gemacht.«
»Und dein Bruder Jean?«
»Ich werde schon noch erfahren, wie er in diese Sauerei hineingeraten ist.«
»Vielleicht hat der, der das Ganze verpfiffen hat, ihn hineingezogen, ohne daß
Weitere Kostenlose Bücher