Papillon
von Saint-Joseph.
Er ist vorige Woche mit seiner Familie nach Cayenne abgereist. Der Kommandant von Saint-Joseph heißt Dutain. Er ist von Le Havre. Er empfängt mich. Ich bin übrigens allein angekommen und wurde am Kai vom Oberaufseher des Schiffes dem diensthabenden Aufseher, zusammen mit meinen Begleitpapieren, übergeben.
»Sie sind Papillon?«
»Ja, Herr Kommandant.«
»Sie sind eine seltsame Nummer«, sagt er, während er in meinen Papieren blättert.
»Wieso bin ich so seltsam?«
»Weil Sie einerseits als gefährlich in jeder Hinsicht bezeichnet werden, besonders in einer rot angestrichenen Bemerkung: Ständig in Vorbereitung von Fluchtversuchen, und anderseits ist hier eine Beifügung: Hat versucht, das Kind des Kommandanten von Saint-Joseph inmitten von Haifischen zu retten. Ich habe zwei kleine Mädchen, Papillon, wollen Sie sie sehen?«
Er ruft zwei Kinder von drei und fünf Jahren in sein Büro herein, kleine, ganz blonde Dinger, die ein junger Araber, in weißem Anzug, und eine sehr hübsche, braune Frau begleiten.
»Hier siehst du den Mann, Liebling, der versucht hat, dein Patenkind Lisette zu retten.«
»Oh! Darf ich Ihnen die Hand drücken?« sagt die junge Frau. Einem Sträfling die Hand zu drücken ist die größte Ehre, die man ihm erweisen kann. Niemals wird einem Zwangsarbeiter die Hand gegeben. Ich bin gerührt von dieser spontanen Geste. »Ja, ich bin die Patin von Lisette. Wir sind mit den Granduit sehr befreundet. Was wirst du für ihn tun, Liebling?«
»Vorläufig kommt er ins Lager. Und dann sagst du mir den Posten, den du dir wünschst.«
»Danke, Herr Kommandant. Danke, Madame. Können Sie mir den Grund dafür sagen, warum man mich nach Saint-Joseph gebracht hat? Es ist fast eine Bestrafung.«
»Es gibt meiner Ansicht nach keinen Grund. Der neue Kommandant dort befürchtet nur, daß du flüchten wirst.«
»Da hat er nicht unrecht.«
»Die Disziplinarstrafen für die Diensthabenden bei einer Flucht sind erhöht worden. Vor dem Krieg konnte man womöglich einen Streifen verlieren, jetzt verliert man ihn unbedingt, abgesehen vom übrigen. Darum hat er dich hierher geschickt, denn es ist ihm lieber, daß du von Saint -Joseph abhaust, wo er keine Verantwortung trägt. In Royale hat er sie.
»Wie lange haben Sie hierzubleiben, Herr Kommandant?«
»Achtzehn Monate.«
»So lange kann ich nicht warten, aber ich werde einen Weg finden, nach Royale zurückzukehren, um Ihnen keine Unannehmlichkeiten zu machen.«
»Danke«, sagt die Frau. »Ich bin glücklich, daß Sie so anständig sind. Und du, Papa, gib dem Diensthabenden vom Lager Anweisung, daß Papillon zu mir kommen kann, wann immer er darum ersucht.«
»Ja, Liebling. Mohammed, begleite Papillon ins Lager, und du, du wählst dir die Casa, in die du eingewiesen werden willst.«
»Oh, bei mir ist das leicht: im Bau der Gefährlichen.«
»Das ist nicht schwierig«, sagt lachend der Kommandant. Und er fertigt ein Papier aus, das er Mohammed übergibt. Ich verlasse das Haus, das am Kai liegt und dem Kommandanten zugleich als Wohnung und Büro dient und in dem auch Lisette gewohnt hat, und komme, begleitet von dem jungen Araber, im Lager an.
Der Chef der Wachtposten ist ein alter, sehr jähzorniger Korse und als Mörder bekannt. Er heißt Filisari.
»Also, du bist’s, Papillon? Du weißt, ich bin sehr gut oder sehr böse. Versuche nicht, bei mir zu flüchten, denn wenn es dir mißlingt, schieße ich dich ab wie einen Hasen. In zwei Jahren habe ich meinen Abschied.
Dreh mir also ja kein Ding!«
»Sie wissen, daß ich ein Freund aller Korsen bin. Ich kann Ihnen nicht versprechen, daß ich nicht versuchen werde zu flüchten. Aber wenn ich flüchte, werde ich es so einrichten, daß es in den Stunden geschieht, in denen Sie nicht der Diensthabende sind.«
»Das ist sehr gut so, Papillon, dann werden wir also keine Feinde sein. Die Jungen, weißt du, die können eher die unangenehmen Folgen einer Flucht aushaken, während ich, na, du kannst dir’s vorstellen, in meinem Alter und kurz vor meinem Abschied. Wir sind uns also einig, ja?
Geh jetzt in den Bau, in den man dich eingewiesen hat.«
So bin ich im Lager in genau dem gleichen Saal wie in Royale, für hundert bis hundertzwanzig Sträflinge.
Hier finde ich Pierrot den Verrückten, Hautin, Arnaud und Jean Carbonieri. Eigentlich müßte ich die Hütte machen mit Jean, weil er der Bruder von Matthieu ist, aber Jean hat nicht die Klasse seines Bruders. Und auch wegen seiner
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